Medizinische Daten sind eine Sache zwischen Arzt und Patienten, Vertrauen ist gerade bei psychischen Erkrankungen essenziell. Dieses Prinzip darf durch einen Einzelfall nicht generell infrage gestellt werden, sagen Experten.

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Der Absturz der Germanwings-Maschine hat nach Ansicht des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), Hans Drexler, eine wenig qualifizierte bis sogar schädliche Diskussion über die ärztliche Schweigepflicht gegenüber Arbeitgebern ausgelöst. Für Drexler ist die erste und wichtigste Frage, ob durch eine gelockerte Schweigepflicht der Absturz hätte verhindert werden können. Nach Ansicht der meisten Fachleute sei das nicht der Fall.

Wenn man alle Menschen mit depressiven Episoden oder Suizidgedanken als nicht geeignet für Berufe mit potenzieller Drittgefährdung betrachten wollte – und das seien bei weitem nicht nur die Piloten von Flugzeugen –, wäre eine moderne Gesellschaft nicht mehr arbeits- und handlungsfähig, so Drexler. Darüber hinaus seien Aussagen zur Prognose immer unsicher. Ein unauffälliger Untersuchungsbefund heute garantiere noch lange keine körperliche oder seelische Gesundheit zu einem späteren Zeitpunkt.

Schweigepflicht als Vertrauensbasis

Die zweite Frage geht für den DGAUM-Präsidenten in Richtung der Folgen einer gelockerten ärztlichen Schweigepflicht gegenüber Arbeitgebern. Wenn sich ein Mensch mit gesundheitlichen Problemen nicht mehr auf die absolute Verschwiegenheit des Mediziners gegenüber Dritten verlassen könne, werde dieser nach Ansicht Drexlers seinem Arzt wohl kaum noch Informationen anvertrauen, die seine berufliche Beschäftigung gefährden könnten.

Es sei eine Illusion zu glauben, ein Arzt könne ohne Mitwirkung des betroffenen Menschen sicher und verlässlich körperliche oder seelische Erkrankungen erkennen. "Wenn durch eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Klient gestört wird, ergibt sich mit Gewissheit eine geringere Sicherheit für die Unversehrtheit von Dritten", so Drexler. Der Arzt könnte nämlich die Indikation für Hilfsangebote, Therapien, kürzere Beratungs- und Untersuchungsfristen und Änderungen der Arbeitsverhältnisse, die Schaden und Gefahr abwenden können, nicht mehr erkennen.

Deshalb warnt Drexler mit Nachdruck davor, das hohe Rechtsgut des Vertrauensverhältnisses von Arzt und Klient durch eine wenig differenzierte Diskussion über eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber Arbeitgebern zu gefährden. (idw/red, derStandard.at, 1.4.2015)