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Kerzen und Blumen vor der Germanwings-Zentrale in Köln.

Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay

Düsseldorf/Seyne-les-Alpes - Verwirrung herrscht über ein angebliches Video aus der Kabine des abgestürzten Germanwings-Airbus. Die französische Justiz hat die Herausgabe des Films gefordert, der die letzten Sekunden im Inneren der Maschine zeigen soll. "Wenn eine Person ein solches Video besitzen sollte, muss sie es umgehend den Ermittlern übergeben", sagte der zuständige Staatsanwalt von Marseille, Brice Robin, am Mittwoch.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liege den Ermittlern kein Video vor, das den Absturz des Airbus A320 zeige, so Robin. Die deutsche "Bild"-Zeitung und das französische Magazin "Paris Match" hatten berichtet, ein solches Video sei auf einem am Absturzort gefundenen Speichermedium entdeckt worden. Laut "Bild" sind die Aufnahmen stark verwackelt. Einzelne Menschen seien nicht zu identifizieren, es seien aber "Mein Gott"-Rufe in mehreren Sprachen zu hören. Das Video wurde demnach im hinteren Teil des Flugzeugs aufgezeichnet. Gefunden wurde das Speichermedium demnach von jemandem aus dem "Kreis der Ermittler".

Zunächst hatte die französische Gendarmerie die Berichte dementiert und sie als "vollkommen falsch" bezeichnet. Die Ermittler hätten die am Absturzort gefundenen Handys noch nicht ausgewertet. Die Geräte würden im Zuge weiterer Untersuchungen an ein spezialisiertes Institut in Rosny-sous-Bois bei Paris geschickt.

Am Absturzort haben die Ermittler die Bergung der Toten beendet. Es gebe keine Leichen mehr am Absturzort, erklärte die Gendarmerie am Dienstagabend. Am Mittwoch würden Einsatzkräfte zu dem Ort aufsteigen, um die persönlichen Gegenstände einzusammeln.

Lufthansa wusste von Krankheit

Die Verkehrsfliegerschule der Lufthansa wusste während der Ausbildung des Copiloten der Unglücksmaschine von einer vorausgegangenen Depression, wie die Lufthansa eine Woche nach dem Absturz mitteilte. In einer E-Mail habe der damalige Flugschüler 2009 im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme seiner Ausbildung die Verkehrsfliegerschule über eine "abgeklungene schwere depressive Episode" informiert, hieß in der Mitteilung am Dienstagabend.

Airline-Chefs an Absturzstelle

Lufthansa-Chef Carsten Spohr und Germanwings-Geschäftsführer Thomas Winkelmann besuchten am Mittwoch den Unglücksort. Mit einem Hubschrauber flogen die Airline-Chefs am Vormittag zu der nahe der Absturzstelle gelegenen Ortschaft Seyne-les-Alpes, wo sie mit Einsatzkräften sprachen. Anschließend wollten Spohr und Winkelmann in der nahe gelegenen Ortschaft Le Vernet an einer Gedenktafel der 150 Opfer gedenken. "Wir helfen nicht nur diese Woche. Wir möchten solange helfen, wie Hilfe benötigt wird", kündigten die Manager der Fluglinie an.

Wegen frappierender Parallelen zum Absturz der Germanwings-Maschine in Frankreich haben mehrere britische Kinos den argentinischen Film "Wild Tales" mit einem ausdrücklichen Warnhinweis versehen. Der Film enthalte Szenen, die einige Zuschauer nach dem Absturz vom 24. März verstören könnten, hieß es auf der Internetseite der Kinokette Curzon. In dem Film verschanzt sich eine Flugbegleiterin im Cockpit und droht, die Maschine abstürzen zu lassen.

Der Airbus war am Dienstag vor einer Woche auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf an einer Felswand zerschellt. Der 27 Jahre alte Copilot wird verdächtigt, seinen Kollegen aus dem Cockpit ausgesperrt und die Maschine mit Absicht in die Katastrophe gesteuert zu haben. Nach Erkenntnissen der Ermittler war er vor Jahren suizidgefährdet und für den Unglückstag krankgeschrieben.

In der besonders betroffenen deutschen Stadt Haltern war für Mittwoch ein öffentlicher ökumenischer Gottesdienst geplant. Unter den Opfern der Tragödie waren 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des Halterner Gymnasiums.

300 Millionen Dollar Rückstellungen

Für die Kosten der Katastrophe stellt ein Versicherungskonsortium nach Angaben der Lufthansa 300 Millionen US-Dollar (278 Millionen Euro) zurück. Das Geld sei für Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen, den zerstörten Airbus A320 und Betreuungsteams gedacht, sagte ein Konzernsprecher.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel dankte Frankreich bei einem Besuch von Präsident Francois Hollande und dessen Kabinett in Berlin für die Unterstützung nach dem Unglück mit 75 deutschen Opfern. Beide Länder seien in den ersten drei Monaten des Jahres "in Bewährungsproben enger zusammengerückt", sagte Merkel mit Blick auf den Anschlag auf das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo".

Behelfsstraße zum Unglücksort errichtet

Zu der Absturzstelle konnten die Ermittler eine Woche nach dem Unglück erstmals über eine eigens errichtete Behelfsstraße in Geländewagen gelangen. Das soll die Suche nach dem noch vermissten Flugdatenschreiber in dem zerklüfteten Gelände erleichtern. Aus Düsseldorf brach am Dienstag ein deutsches Ermittlerteam auf.

Hollande stellte die Identifizierung aller Opfer "bis spätestens Ende der Woche" in Aussicht. Zuvor hatte das Kriminalinstitut der Gendarmerie in Pontoise erklärt, die eigentliche Identifizierung, also die Zuordnung zu den Vergleichsdaten der Angehörigen, könne zwei bis vier Monate dauern. Die Experten hatten allerdings in Aussicht gestellt, dass die Entnahme von DNA-Proben am Unglücksort bis Ende der Woche abgeschlossen werden könnte. (APA, 1.4.2015)