Georg Aichmayr (im Bild mit Martin Neumann) hat sich wieder eine Tschumsn gekrallt und ein 1a-Wirtshaus herausgeschält.

Foto: Gerhard Wasserbauer

In Butterschmalz herausgebratenes Schweinswiener Schnitzel mit Petersilerdäpfeln und Preiselbeeren.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es gibt Anlass zur Freude, aber nur für die Geduldigen. Seit vergangener Woche hält nämlich Georg Aichmayr sein "Automat Welt" am Volkertplatz geöffnet, mit dem die Leopoldstadt nach Schöner Perle, Nordpol und Shabu schon wieder einen Kraftort Aichmayr'scher Prägung bekommt. Von Karsamstag bis einschließlich Ostermontag ist aber geschlossen - die Mannschaft braucht eine Auszeit, nachdem sich die Hütte aufgrund enthusiasmierter Vorab-Berichterstattung vom ersten Abend an in einem Zustand akuter Überdehnung befunden hat.

Zum Ausgleich wird es danach regelmäßig Frühstück ab elf und festliches Mittagessen geben - aber nur am Wochenende. Wer wochentags erst um zwei Uhr früh dichtmacht, dem steht der Sinn nämlich nicht nach bürohengsttauglichen Mittagstellern. Wobei: Schaumer mal.

Noch hat der Volkertmarkt, an dessen Ecke sich das neue Wirtshaus befindet, etwas erfreulich Räudiges an sich. Gleich neben dem Automat trifft sich die nigerianische Community im Eighties-Ambiente des Café Galaxy bei Johnny Walker und Fisch mit Reis. Am Markt selbst gibt's Calamari gebacken oder "pikant" und Shawarma vom koscheren Holzkohlengrill ebenso wie georgische Zuckerbäckerei und burgenlandkroatisches Fleischerhandwerk.

Dass Aichmayr hier gemeinsam mit dem Perle-Veteranen Martin Neumann ein Wirtshaus (und in Kürze auch den aus der Rotensterngasse bekannten Weinviertel-Flaschenverkauf) aufsperrt, kündet aber von dräuender Gentrifizierung. Der Mann hat einen Riecher für Gegenden, die ein ordentliches Wirtshaus brauchen, an dem sie sich aufrichten können.

Prächtige Schank

Und das Automat Welt, benannt nach der Prager Selbstbedienungs-Tschumsn aus einem Roman von Bohumil Hrabal, ist definitiv so ein Wirtshaus. Vom Vorgänger, einem grandios durchgegrindeten Eckwirt, wurde außer der prächtigen Schank und einzelnen Versatzstücken nur wenig übernommen, dennoch wirkt das Automat Welt organisch gewachsen.

In der Küche steht mit Marija Arsic eine Ex-Rebhuhn-Köchin, was ganz sicher kein schlechtes Renommee ist. Die Speisekarte spricht dessen ungeachtet die mild exzentrische Wirtshaussprache von Georg Aichmayr. Es gibt Pausenbrote mit Bratlfett, mit Thum-Schinken, aber auch einen Teller mit Salami und Luftgetrocknetem vom Labonca-Weideschwein, den man besser nicht an sich vorbei tragen lässt. Es gibt rosa gebratenes Schweinskarree mit einer an Brotaufstrich erinnernden Thunfischcreme, aber auch einen herrlich abgehobenen Käsetoast, der durch eine nachträglich aufgelegte, kühle Scheibe vom Dolcelatte würziges Gewicht bekommt.

Suppe macht stark

Hendlsuppe mit Eiernudeln und Wurzelgemüse ist ein dichtes Konglomerat, das Halbtote zum Weiterfeiern animiert, einfach herrlich. Brokkoli-Karfiol-Topfenauflauf mit Parmesan und Gruyère dürfte dasselbe bei Vegetariern anstellen - vielleicht aber auch das Gegenteil: Der gratinierte Ziegel ist nicht bloß geschmacklich, sondern auch konsistenzmäßig ein Hammer. Ist aber alles gar nichts gegen das mächtige und wie bei der Oma in Butterschmalz herausgebratene Schweinswiener mit Petersilerdäpfeln und - Aichmayr ist unreformierter Innviertler - Preiselbeeren: So ein kuchenköstliches Schnitzel wird einem in Wiener Wirtshäusern sonst nämlich nirgends vorgesetzt. Hinterher gehört sich, weil's eh scho wurscht ist, eine Brioche-Pofese mit Sauerrahm, Powidl und Zimtzucker. Weil: Ein Stück Brot ist nie genug. Vor allem, wenn es, Schnitzel hin, Pofese her, derart welt schmeckt wie im Automat. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 3.4.2015)