Ach, Österreich, du kommst nicht mehr vom Fleck! Sagen wir es mit Grillparzer, der passt fast immer, wenn es um unser Kakanien geht: "Ach, die Gewohnheit ist ein lästig Ding! Selbst an Verhaßtes fesselt sie." Wie sonst lässt es sich erklären, dass wir immer nur "Reformerln" zustande bringen, nie wirkliche Reformen? Derzeit spielt's ein "Steuerreformerl", das mit der nächsten Progression, die unaufhaltsam weiterschreitet – nomen est omen –, wieder zunichtegemacht sein wird.
Alle versichern sie uns jetzt: Es geht weiter mit den Reformen. Kanzler, Vizekanzler wollen stürmend voranschreiten in der Erneuerung Österreichs. Zunächst einmal sollen die Bürgerinnen und Bürger sich weiter beschränken: Erhöhung des Pensionsalters, und dies in Zeiten, in denen Arbeitsplätze für Ältere rar sind. Schluckt die Krot! Das heißt dann halt geringere Pensionen, weil längere Arbeitslosigkeit. Die Beamten der Bundesländer freilich betrifft das bisher nicht: Ein im Jahr 1975 geborener Akademiker im Wiener oder Tiroler Landesdienst etwa kann mit einer wesentlich höheren Pension rechnen als ein Bundesbeamter. Die empörte Zurechtweisung des Finanzministers durch den Wiener Bürgermeister ist inakzeptabel.
Trippelschritte auf dem "Kostendämpfungspfad"
Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Bei der Verwaltung wolle man sich auf einen "Kostendämpfungspfad" mit 1,7 statt 2,7 Prozent Kostensteigerung begeben, sagen die Regierungspartner. Immer hübsch kleine Trippelschritte, nur ja keinen großen Schritt wagen!
Staat neu verwalten
Das Land braucht aber endlich die von vielen Fachleuten reklamierte ausgabenseitige Reform, die große Staatsreform. Von Werner Doralt bis Hannes Androsch, von Veit Sorger bis Franz Fiedler, alle fordern sie große Würfe, zu denen wohl die Neuordnung unserer Staatsverwaltung gehört.
Schon im Jahr 2011 wurde von dem Salzburger Professor Nikolaus Dimmel und dem Wiener Anwalt Alfred J. Noll mit viel Witz, aber auch stichhaltigen Zahlen die Abschaffung der Bundesländer vorgeschlagen. Dieser Forderung haben sich viele namhafte Persönlichkeiten angeschlossen. Auch DER STANDARD hat 2014 eine Umfrage veröffentlicht, wonach mehr als 60 Prozent der Bevölkerung für eine Abschaffung der Landtage waren.
Warten bis Sankt Nimmerlein?
Italien hat im vergangenen Jahr die große Verwaltungsreform beschlossen und damit die Abschaffung der Provinzen. Warum sollte solches nicht auch bei uns möglich sein? Steckt der Grillparzer'sche Satz noch so tief in uns, dass unser kleines Land bis Sankt Nimmerlein neun Bundesländer, neun Landesregierungen, Bezirksbehörden ohne Ende braucht, die dann in Sachen Abfallwirtschaft, Umweltschutz, Kindergartenwesen, Jugendschutz – ja, auch das jeweilige Prostitutionsgesetz ist Ländersache – jeweils ihr eigenes Süppchen kochen?
Bund füllt Füllhörner der Länder
Die Zutaten, sprich das Geld, kommen freilich vom Bund, ausgegeben wird dann fleißig in den Ländern, für Tunnelbauten, Bankhaftungen (ach, Kärnten!), Spitäler, Kleinschulen, und zum Drüberstreuen wünschen sich die Länder jetzt noch die Kompetenz für alle Lehrerinnen und Lehrer. An mehr Steuerhoheit haben die Landesfürsten freilich kein großes Interesse: Unbeliebt bei der Einhebung der Steuern soll sich der Bund machen; die Füllhörner werden dann vom Neusiedler See bis zum Bodensee, von Oberösterreich bis Kärnten ausgeschüttet.
Schalten und walten
Skandale wie der der Hypo Alpe Adria waren nur möglich, weil die Landeskaiser in letzter Konsequenz schalten und walten konnten, wie sie wollten. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, aktiv zu werden. Was sie gerne vergessen, die Damen und Herren in der Politik: Das Volk bezahlt alles. Um es ganz mit Eva Linsinger vom "Profil" zu sagen: "Die Autonomie der Bundesländer schadet dem Staat, der Wirtschaft und den Bürgern."
Die kleineren Bundesländer wie Vorarlberg und das Burgenland haben zum Teil weniger Einwohnerinnen und Einwohner als so mancher Stadtbezirk in einer europäischen Großstadt, verfügen aber über eine eigene Regierung, ein eigenes Parlament, einen eigenen Behördenapparat und eine eigene Gesetzgebung.
Die Identität bleibt erhalten
Das hieße freilich nicht, den Bewohnerinnen und Bewohnern der Länder ihre kulturelle Identität zu nehmen. Ein Steirer bleibt ein Steirer, in seiner Sprache, seinen kulturellen Eigenheiten, seinem Selbstverständnis. Die Vorarlbergerin kann weiterhin ihre Kässpätzle essen, der Salzburger Mozarts Musik vermarkten. Aber als politische Einheiten und Verwaltungs- beziehungsweise Gesetzgebungsebenen sind die Bundesländer überholt.
Mehr Mittel für modernes Österreich
Dann bleiben genug Mittel übrig für ein modernes Österreich: Bildung, Forschung, Infrastruktur, Soziales, die vernachlässigte Entwicklungshilfe, Kultur; die Mängelliste ist lang.
Es ist sehr zu hoffen, dass sich Persönlichkeiten finden, die die Einleitung eines Volksbegehrens zur Abschaffung der Bundesländer initiieren. Ich bin dabei! (Barbara Plätzer-Neumann, derStandard.at, 3.4.2015)