Der dänische Regisseur Carl Theodor Dreyer (1889-1968) drehte einige Meisterwerke der Kinogeschichte. Sein Hang zu detaillierten Bildkompositionen und geometrischer Klarheit sowie der innovative Umgang mit Licht zeichnen diese aus. Einer dieser Filme taucht in allen cineastischen Bestenlisten auf: La Passion de Jeanne d'Arc (Die Passion der Jungfrau von Orléans, 1928). In diesem letzten seiner Stummfilme zeigt Dreyer Verhör, Verurteilung und Feuertod der französischen Nationalheldin. Dabei bemühte er sich um absolute Authentizität: Die Handlung und Zwischentiteltexte folgen den Prozessakten, die Bauten orientieren sich an historischen Miniaturen, die im Freien nachgebaut wurden.

Dreyer ging es aber nicht primär um Realismus, sondern um die geistigen und geistlichen Hintergründe des Prozesses und um den Glauben, der im und durch den Menschen lebt: Der ganz persönliche Glauben des Bauernmädchens Jeanne steht gegen die dogmatischen Glaubensgrundsätze der Richter, eine junge Frau gegen mächtige Männer. Bevorzugtes Stilmittel sind dabei eindrucksvolle Großaufnahmen und horizontale Kamerafahrten, besonderes Augenmerk legte der visionäre Regisseur auch auf das menschliche Gesicht, "ein Land, das es zu erforschen gilt". Neben der als Kosmetikmodel bekannt gewordenen Renée Falconetti als Jeanne spielt der Dichter Antonin Artaud.

Von Kritikern und nachfolgenden Filmemachergenerationen gelobt, floppte der Film seinerzeit an der Kinokassa. Danach wurde er mehrfach verstümmelt und "bearbeitet", bis 1985 eine ungekürzte Kopie auftauchte. Diese Woche läuft der selten gezeigte Klassiker im Linzer Cinematograph. (dog, DER STANDARD, 31.3.2015)