Späte Festnahme: Wertpapierhändler Csaba Tarsoly.

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Hunderte empörte Anleger protestierten am Sonntag im ostungarischen Debrecen wegen der Pleite des Budapester Wertpapier-Handelshauses Quaestor. Sie fürchten um ihre Ersparnisse, nachdem bekannt geworden war, dass die regierungsnahe Broker-Firma fiktive Obligationen im Wert von 150 Milliarden Forint (499 Millionen Euro) aufgelegt hatte – und auch für weitere Papiere im Wert von 60 Mrd. Forint, deren Zeichnung die Nationalbank genehmigt hatte, nicht einstehen kann.

"Herr Orbán, warum haben Sie uns nichts gesagt?", riefen die Demonstranten. Tatsächlich scheint der nationalpopulistische Premier Viktor Orbán in den Quaestor-Zusammenbruch verstrickt. Quaestor-Chef Csaba Tarsoly ist ein Freund von Außenminister Péter Szijjártó, der wiederum ein Vertrauter Orbáns ist. Am vergangenen Mittwoch gab Orbán zu, dass er persönlich veranlasst hatte, dass die Ministerien ihre bei Quaestor "geparkten" Gelder abziehen – mehrere Tage, bevor Tarsoly am 9. März den Bankrott ankündigte.

Mit Ministerien im Geschäft

Unverständlich blieb auch, warum Tarsoly erst am vergangenen Donnerstag, mehr als zwei Wochen danach, festgenommen wurde. Bis dahin hätte er etwa Vermögen in Sicherheit bringen und Beweise vernichten können. Die Struktur in der Holding änderte er so, dass die Geschädigten mit ihren Forderungen an letzter Stelle stehen werden. Auch ist unklar, ob und wann er den Konkurs tatsächlich rechtlich bindend erklärt hat.

Vor dem Kollaps war Quaestor mit dem Außenministerium bestens im Geschäft. In Moskau war die Firma Mitbetreiberin des ungarischen Visum-Zentrums – in diese private Einrichtung hatte das ungarische Konsulat die Visa-Vergabe an russische Geschäftsleute und Touristen ausgelagert. Ein anderer Teilhaber, der ehemalige Agrar-Attaché in Moskau, Szilárd Kiss, sitzt inzwischen in U-Haft – ihm werden Kreditbetrug und Bestechung in Ungarn vorgeworfen.

Der Quaestor-Skandal fügt sich in einer Serie von Pannen, die Orbáns Machtgefüge zunehmend unterspülen. Im Februar brach ein einflussreicher Oligarch, der ehemalige Schul- und Studienfreund Lajos Simicska, offen mit ihm. Mit dem demonstrativen Empfang des russischen Präsidenten Wladimir Putin stellte sich Orbán innerhalb der EU ins Abseits.

Jüngst wurde auch bekannt, dass Staatspräsident János Áder, der auf Orbáns Vorschlag ins Amt kam, nicht mehr von der Antiterror-Einheit TEK geschützt wird. Diese untersteht direkt Orbán. Áders Personenschutz übernahm die Bereitschaftspolizei. Der Präsident habe es sattgehabt, dass Orbán über jeden seiner Schritte bescheid wusste, hieß es in Medien (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 30.3.2015)