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"Die Zeitumstellung verursacht einen kleinen gefühlten Jetlag - eine Störung des körpereigenen Zeitgefühls", sagt Chronobiologe Maximilian Moser von der MedUni Graz.

Foto: APA/KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

In der Nacht zum Sonntag werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt, von zwei Uhr auf drei Uhr früh. Hierzulande gab es die Sommerzeit bereits 1916, sie wurde in der Zwischenkriegszeit dann aber wieder abgeschafft. Aufgrund der Ölkrise wurde sie 1973 zunächst in Frankreich wieder eingeführt, um den lichten Tag zu verlängern und damit Energie zu sparen - 1979 dann auch in Österreich. Ursprünglich dauerte sie nur von Ende März bis Ende September, seit 1996 – wie in der gesamten EU – bis Ende Oktober.

Während viele sich über die "längeren Tage" im Sommer freuen, ist die Umstellung an sich nicht sonderlich beliebt. Dieser Unmut lässt sich auch wissenschaftlich belegen: In der ersten Woche nach der Umstellung sinkt demnach die durchschnittliche Lebenszufriedenheit der Menschen in Deutschland und Großbritannien. Und zwar im selben Ausmaß, das auch eine zehnprozentige Gehaltsminderung mit sich bringen würde.

Aber auch aus medizinischer Sicht ist sie fragwürdig, wenngleich fundierte wissenschaftliche Studien noch fehlen. "Die Zeitumstellung verursacht einen kleinen gefühlten Jetlag - eine Störung der körpereigenen Rhythmen", sagt Chronobiologe Maximilian Moser von der Medizinischen Universität Graz. Wie eine Forsa-Umfrage in Deutschland zeigt, melden sich an den drei Werktagen nach der Umstellung auf die Sommerzeit 15 Prozent mehr Versicherte krank als an vergleichbaren Arbeitstagen. Vor allem die 45- bis 59-Jährigen fielen oft aus.

Innerer Fahrplan durcheinander

Die Umstellung sei ungefähr so, als flöge ganz Österreich über den Sommer nach Moskau und käme dann im Winter wieder zurück. "Die Sonne geht aber nicht mit, unser Biorhythmus auch nicht", sagt Moser. Er plädiert für Winterzeit das ganze Jahr über, "denn sie entspricht am ehesten der tatsächlichen astronomischen Zeit".

Noch besser wäre es, wenn wir nach einer Zeitmessung leben, in der um 12 Uhr Mittag die Sonne exakt im Süden steht, um Mitternacht exakt die Mitte der Nacht erreicht sei, sagt Moser. "Aufgrund unterschiedlicher Aufgangszeiten je nach geographischer Lage und dem wechselnden Sonnenstand im Jahresverlauf ist das aber kaum machbar", sagt Moser.

Die Zeitumstellung jedenfalls bringe nichts. So weiß man mittlerweile, dass das ursprüngliche Argument des Energiesparens gar nicht aufrecht erhalten werden kann. Bei einem Vergleich von 224.000 Haushalten im US-Bundesstaat Indiana zeigte sich, dass die Sommerzeit keine Energieersparnis brachte – im Gegenteil, der Verbrauch stieg sogar um rund ein Prozent. Im Frühjahr wurde zwar geringfügig Energie gespart, im Sommer und Herbst wurde aber wegen des stärkeren Heizbedarfs am frühen Morgen sowie stärkerer Klimaanlagen-Nutzung am späten Nachmittag wieder mehr verbraucht.

Auch wenn es für Europa verschiedene, teils widersprüchliche Berechnungen gebe, dürfte die Energieersparnis allenfalls marginal ausfallen, sagt Moser. Aus medizinischer Sicht spreche alles für eine Abschaffung: "Wir sind Gewohnheitstiere und als solche an fixe Rhythmen gewöhnt. Auch fast alle Abläufe im Körper, von der Hormonproduktion bis zur Magenaktivität, sind tagesrhythmisch aufeinander abgestimmt", sagt Moser. Man müsse sich das vorstellen wie einen großen Fahrplan. Mit der Umstellung würde dieser nun für mindestens eine Woche durcheinandergebracht.

Für gesunde Menschen ist das freilich meist kein Problem. Für chronisch Kranke, Kleinkinder (vor allem zwischen erstem und viertem Lebensjahr) und viele Ältere aber sehr wohl – sie sind unzufrieden und entwickeln unter Umständen sogar Krankheitssymptome wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, manchmal auch depressive Verstimmungen. Daher sei es hilfreich, im Rahmen der Umstellung einige Tipps zu beachten, mit denen man die Folgen etwas abfedern kann (siehe unten).

Gefährdete Lerchen

Vor allem Morgenmenschen ("Lerchen") tun sich schwer mit der Umstellung - aber auch alle Nacht- und Schichtarbeiter, die sowieso schon in ihrem Tag-/Nacht-Rhythmus belastet sind. Nachtmenschen ("Eulen") halten Jetlags generell leichter aus, tun sich auch im Schichtbetrieb leichter. Während Kleinkinder noch Lerchen sind, werden viele in der Pubertät zur Eule. Bis zum 50. Lebensjahr stellt sich das wieder langsam um, die meisten werden wieder zum Morgenmenschen.

Moser zufolge sind die "Lerchen" und "Eulen" etwa gleichmäßig verteilt – jeweils 20 Prozent der Bevölkerung gehören einem der beiden Typen an. Der große Rest von 60 Prozent ist indifferent und vielleicht dem einen oder anderen Typ näher, aber eben nicht besonders ausgeprägt. "Um den eigenen Typ zu bestimmen, braucht es meist keine großen Fragebögen zum Schlaf- und Lebensrhythmus. Meist weiß man selbst am besten, welchem Typ man entspricht", sagt Moser, "und wenn nicht, gehört man zum Indifferenztyp."

Um Aussagen über die breite Bevölkerung zu treffen, wurden vom Münchner Chronobiologen Rönneberg Befragungen aller Altersgruppen durchgeführt, wann Menschen in den Ferien ohne Zeitdruck schlafen und wann sie aufstehen wollen. Dabei stellte sich heraus, dass die Mitte ihrer "Nacht" (also die Mitte der Zeit, in der geschlafen wurde) stark variiert. Bei Kindern und älteren Menschen liegt dieser Zeitpunkt zwischen zwei und drei Uhr früh, im bei jungen Männern im Studentenalter aber im Mittel erst bei fünf Uhr. Sie würden also, ihrem Biorhythmus entsprechend, bis 10, 11 Uhr vormittags schlafen. Durch frühen Schul- und Arbeitsbeginn freilich ist das kaum jemandem möglich.

Allgemein ist der eigene Typ von der sozialen Umwelt, aber auch von der Genetik abhängig, wie die neuere Forschung zeigt. Vermehren sich zwei Mäuse eines bestimmten Typs, entspricht auch der Nachwuchs diesem Typ. "Bei Mäusen ist es wahrscheinlich nur ein einziges Gen, das über Morgen- oder Abendtyp entscheidet, beim Menschen sind Erziehung und Umfeld wichtig", sagt Moser. Die genetische Ausstattung spiele auf jeden Fall eine große Rolle.

Generelles Schlafdefizit

Ein größeres Problem als die Umstellung sei aber das generelle Schlafdefizit in unserer Gesellschaft, sagt Moser. Das zudem auch immer größer werde, denn die durchschnittliche Schlafdauer ist kontinuierlich am Sinken – um etwa fünf Minuten pro Jahr.

Weil unser Gehirn im Schlaf keineswegs untätig ist, sondern im Gegenteil auf Hochtouren arbeitet, ist das höchst problematisch, sagt der Chronobiologe: "Wir lernen im Schlaf, verarbeiten Erinnerungen und erholen und reparieren uns von den täglichen Strapazen. Bei Schlafmangel sind wir anfälliger für Übergewicht, unser Immunsystem wird geschwächt und wir lassen auch geistig nach", sagt Moser.

Deshalb sei es wichtig, auf den eigenen Körper zu hören, denn der wisse selbst immer noch am besten, wann er Erholung und Schlaf brauche. (Florian Bayer, derStandard.at, 28.3.2015)