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Das Agenda-Setting eines Hollywood-Stars: Angelina Jolie veröffentlichte am Dienstag ein persönliches Statement in den "New York Times", dass sie sich nun vorsorglich auch die Eierstöcke entfernen ließ, um ihr genetisch bedingtes Ovarialkarzinom-Risiko zu senken.

Foto: Reuters/STRINGER/GERMANY

Angelina Jolie Pitt hat es wieder getan: Nachdem die US-amerikanische Schauspielerin 2013 ihre Mastektomie öffentlich gemacht hatte, richtete sie nun der Weltbevölkerung via "New York Times" aus, dass sie auch eine vorsorgliche Entfernung der Eierstöcke durchführen ließ. Der Grund: eine erblich bedingte Genveränderung im BRCA1-Gen, die das Lebenszeitrisiko für Brust- beziehungsweise Eierstockkrebs eklatant erhöht. "Ich habe meine Mutter, meine Großmutter und meine Tante durch Krebs verloren. Auch ich trage die Mutation des BRCA1-Gens in mir. Dadurch habe ich ein Risiko von 87 Prozent für Brust- und von 50 Prozent für Eierstockkrebs", begründet die 39-Jährige ihre schwerwiegende Entscheidung.

Christian Singer, Leiter der Brustgesundheitszentrums der Med-Uni Wien im AKH, kommentiert diesen Schritt folgendermaßen: "Dass sie diese vorsorglichen Operationen vornehmen ließ, ist ihre höchstpersönliche Angelegenheit. Hier steht es keinem Arzt zu, ein Urteil darüber abzugeben, ob er das gut oder schlecht findet."

Mutig findet er hingegen, dass der Hollywood-Star ohne Tabus darüber spricht. "Es ist Angelina Jolie zu verdanken, dass die Awareness zu diesem medizinischen Thema eine Steigerung erfahren hat. Mit keiner Informationskampagne der Welt wäre das möglich gewesen", so Singer. Die Zahlen sprechen für sich: Seit Jolies Mastektomie hat sich die Zahl der vorsorglichen Brustentfernungen in Wien verfünffacht. Zudem ist die Nachfrage nach genetischer Beratung um das Dreifache gestiegen.

Kaum Früherkennung möglich

In Österreich leben rund 30.000 Frauen, die genetisch bedingt ein stark erhöhtes Risiko für Brust- und/oder Eierstockkrebs haben. Die Dunkelziffer dürfte allerdings deutlich höher sein: "Wir schätzen, dass eine von 300 bis 700 Personen eine Veränderung im Gen BRCA1 beziehungsweise BRCA2 aufweist, wobei nicht nur Frauen, sondern auch Männer betroffen sein können", erklärt Singer. In solchen Fällen steigt das Risiko, im Lauf des Lebens an Brustkrebs zu erkranken, auf über 80 Prozent. Zudem liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen einen erblich bedingten Eierstockkrebs entwickeln, zwischen 50 und 65 Prozent.

Eine veränderte Erbanlage heißt aber nicht zwingend, dass die Betroffene auch tatsächlich erkrankt. "Das Ergebnis erlaubt keine Vorhersage, ob und wann Krebs wirklich auftritt", heißt es in einer Patienteninformation der Deutschen Bundesärztekammer. Die einzige wirksame Möglichkeit, das erhöhte Risiko zu senken, sei allerdings eine vorbeugende Operation, in der beide Eierstöcke samt Eileiter entfernt werden, betont die Interessenvertretung.

Ähnlich sieht das Krebsexperte Singer: "Ich kenne keine andere vorbeugende Operation, die einen derartigen Effekt auf das Gesamtüberleben hat. Wird dieser Eingriff bei einer Frau, die noch nicht an Krebs erkrankt ist, durchgeführt, reduziert sie ihr Eierstockkrebsrisiko um 80 Prozent." Während bei Brustkrebs das engmaschige Screening eine probate Alternative darstellt, ist laut Singer eine Früherkennung von Ovarialtumoren kaum möglich. "Meist wird Eierstockkrebs erst dann entdeckt, wenn es zu spät für eine Heilung ist", sagt der Mediziner.

Psychoonkologische Betreuung

Singer gibt aber auch zu bedenken, dass es keine 100-prozentige Risikoreduktion gibt: Da Gewebe zurückbleiben kann und im Bauchfell auch Karzinome häufiger auftreten, die nicht genau vom Eierstockkrebs unterschieden werden können, ist ein Restrisiko trotz vorsorglicher Operation nicht gänzlich auszuschließen.

Ob tatsächlich eine Mutation vorliegt, lässt sich nur über einen Gentest bestimmen, der nach eingehender Beratung in Österreich kostenlos in Anspruch genommen werden kann. Oberstes Ziel ist es, dass Patientinnen eine informierte Entscheidung treffen. "Es ist nicht unsere Aufgabe, Empfehlungen abzugeben, sondern ausschließlich, aufzuklären. Ob eine Frau einen Test oder eine vorbeugende Operation durchführen lässt, ist ihre ganz persönliche Entscheidung", so der Experte.

Wer einen Gentest machen lässt, sollte sich bewusst sein, dass das Wissen, ein erhöhtes Krebsrisiko zu haben, Druck erzeugen kann. Singer verweist hier auf die Möglichkeit der psychoonkologischen Betreuung, die für Betroffene ebenfalls kostenlos ist. "Zudem bedeutet der chirurgische Eingriff den sofortigen Eintritt in die Wechseljahre", ergänzt der Mediziner.

Länderunterschiede

Wie sich Frauen im europäischen Vergleich entscheiden, ist Singer zufolge äußerst heterogen: "Während sich in nordischen Ländern wie Schweden, Dänemark oder Finnland fast alle betroffenen Frauen für die vorbeugende Operation entscheiden, ist dieser Anteil in Italien und Griechenland verschwindend gering. In Österreich entschließt sich ungefähr die Hälfte der Frauen, bei denen eine Veränderungen der Gene BRCA1 und BRCA2 konstatiert wurde, für eine vorbeugenden Eierstockentfernung. Rund 20 Prozent lassen eine Mastektomie durchführen." (Günther Brandstetter, derStandard.at, 25.3.2015)