Sprecher der österreichischen Neurologengesellschaft (ÖNG) haben aus Anlass ihrer Jahrestagung in Graz auf eine neue Möglichkeit zur Beseitigung von Blutgerinnseln nach einem Schlaganfall per Katheter hingewiesen. Die aktuelle Datenlagen könnte auf einen bevorstehenden Umbruch in der Therapie hindeuten - und das erst seit wenigen Tagen.

"Vor 20 Jahren hat die Neurologie bei einem Schlaganfall vor allem die Funktion der Rehabilitation gehabt. 1991 wurde gezeigt, dass die Behandlung in einer spezialisierten Abteilung, den Stroke Units im Fachterminus, Leben retten kann. Seit 2002 steht die Thrombolyse zur Verfügung", sagte im vergangenen Jahr der Wiener Neurologe Wilfried Lang, Vorstandsmitglied der Österreichischen Schlaganfallgesellschaft.

Mit Medikamenten auflösen

Bei der Thrombolyse erhält der Patient - wie ehemals beim akuten Herzinfarkt propagiert, mittlerweile aber durch Kathetereingriffe mit Stents zurückgedrängt - das Thrombus-auflösende Biotechmedikament rt-PA ("Alteplase"). Österreich hat hier mittlerweile ein hervorragendes System etabliert und ist Weltspitze. "Beim Schlaganfall läuft die Uhr. 'Time is Brain' heißt es.

Mit der Therapie soll der Gefäßverschluss wieder eröffnet werden. Hier gibt es ein Zeitfenster von bis zu 3,5 bis vier Stunden. In Österreich bekommen 18 Prozent der Patienten, die auf eine "Stroke Unit" kommen, diese Thrombolyse. Das ist ein Wert, der sonst weltweit nicht erreicht wird", sagte die kommende Präsidentin der Neurologen-Vereinigung, Elisabeth Fertl, im vergangenen Jahr.

Jetzt deutet sich in manchen Bereichen eine ähnliche Entwicklung wie ehemals beim Herzinfarkt an. Am 12. März sind im New England Journal of Medicine zwei Studien zur Katheter-Schlaganfallbehandlung veröffentlicht worden. Beide waren wegen des sich abzeichnenden Erfolges vorzeitig abgebrochen worden.

Mayank Goyal von der University of Calgary/Kanada und dessen internationale Co-Autoren wiesen in ihrer Arbeit auf die Notwendigkeit neuer Therapien bei Gefäßverschlüssen an der Gehirnbasis hin: "60 bis 80 Prozent der Patienten sterben innerhalb von 90 Tagen nach dem Schlaganfall oder können nicht mehr funktional unabhängig leben."

Es geht um die Lebensqualität

Die Wissenschafter von 22 Zentren weltweit wiesen von insgesamt 316 Patienten 238 Betroffene einer Thrombolysetherapie zu. 120 von ihnen bekamen zusätzlich aber auch eine Katheterbehandlung, die möglichst zur Beseitigung des Blutgerinnsels über ein durch die Leistenarterie ins Gehirn eingeführtes System führen sollte.

Nach 90 Tagen konnten 53 Prozent der Patienten unabhängig leben, in der Thrombolyse-Vergleichsgruppe waren es 29,3 Prozent. Die Mortalität verringerte sich von 19 auf 10,4 Prozent. Die Rate von Gehirnblutungen war mit 2,7 (Thrombolyse allein) bzw. 3,6 Prozent (Katheter) etwa gleich hoch.

Ganz ähnliche Ergebnisse zeigte die zweite im "New England Journal of Medicine" publizierte Studie von Bruce Campbell vom Royal Melbourne Hospital/Australien. 70 Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall und per Computertomographie belegbar vorhandenen Gehirnarealen, die noch vor Schäden rettbar erschienen, bekamen das Thrombolysemedikament, die Hälfte davon zusätzlich die Katheterbehandlung.

Nach 24 Stunden war bei allen Patienten, welche die Kathetertherapie bekommen hatten, der Blutfluss im Gehirn wiederhergestellt (in der Vergleichsgruppe bei 37 Prozent). Nach drei Tagen zeigten 80 Prozent der mit dem Katheter therapierten eine Besserung ihres neurologischen Zustandes (Vergleichsgruppe: 37 Prozent). 71 Prozent der mit dem neuen System behandelten, konnten nach 90 Tagen weitgehend unabhängig leben (Vergleichsgruppe: 40 Prozent).

Jede Sekunde zählt

Die Vorbedingung für solche Erfolge sind - wie auch schon bisher in der Akuttherapie von Schlaganfallpatienten - der frühe Verdacht auf einen Schlaganfall, das sofortige Rufen eines Notarztwagens und der schnelle Transport in eine Stroke Unit. Darauf folgen 24-Stunden-Verfügbarkeit modernster bildgebender Verfahren und speziell für solche Interventionen ausgebildete Radiologen, Neurologen oder Neurochirurgen. (APA, derStandard.at, 25.3.2015)