Benjamin Netanjahu tat nach seinem Wahlsieg genau das, was man von ihm erwartet hätte: Der israelische Regierungschef relativierte seine dezidierte Absage an einen Palästinenserstaat und äußerte sein Bedauern über seine hetzerische Warnung vor arabischen Israelis, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten - Aussagen, die ihm im Wahlkampf halfen, rechte Stimmen für seine Likudpartei zu gewinnen.

Es ist diese Wendigkeit, die Netanjahu auch für viele moderate Israelis wählbar macht, die nichts vom Siedlungsbau in den besetzten Gebieten und einem Großisrael halten. Doch diesmal dürfte es dem Langzeit-Premier schwerfallen, sich nach außen und nach innen als Mann der Mitte zu positionieren.

Erstens hat Netanjahu mit seinen Aussagen mehr Porzellan zerschlagen, als man mit ein paar Worten kitten kann. Schon vorher haben ihm nur wenige das Bekenntnis zur Zweistaatenlösung abgenommen. In Zukunft wird es ihm niemand mehr glauben, und schon gar nicht die Palästinenser, mit denen er verhandeln müsste. Die Entfremdung der israelischen Araber von ihrem Staat wird zunehmen und früher oder später dessen innere Stabilität bedrohen. Der jüngste Bericht der EU-Kommission über das Gewaltpotenzial in Jerusalem, der nur scheinbar vereinten Hauptstadt Israels, ist ein massives Alarmsignal.

Vor allem sind die Beziehungen zu den USA so schwer belastet wie noch nie - und nicht nur zur Obama-Regierung. Die Zweistaatenlösung war auch Programm aller republikanischen US-Präsidenten. Und offener Rassismus ist heute nirgendwo in Washington akzeptabel.

Zweitens handelt Netanjahu nach der Wahl genauso, wie er vorher geredet hat. Er hat keinerlei Versuch unternommen, mit dem linksliberalen Lager eine Regierung zu bilden, sondern setzt voll auf jene rechtsextremen und ultrareligiösen Parteien, die ein Großisrael anstreben, indem den Palästinensern grundlegende Bürgerrechte verwehrt werden. Israel ist heute kein Apartheidstaat; aber die Koalition, die sich abzeichnet, will es dazu machen.

Israels internationale Isolation hat bisher nur schleichend zugenommen. Wenn die USA aber, wie angedroht, ihre schützende Hand in der Uno wegzieht, dann wird sie für alle Israelis spürbar werden. Um das zu verhindern, braucht es einen echten Politikwechsel statt halbherziger Entschuldigungen. Doch der ist weniger in Sicht denn je. (Eric Frey, DER STANDARD, 25.3.2015)