Es gibt wieder ein Datum. Der 17. ist es. Für Werner Faymann ein "Glücksdatum", wie er sagt. Bis zum 17. März hatte die Regierung die Steuerreform auf Schiene gebracht. Jetzt geht es um den November und die Schule. Bis zum 17. November soll die große Schulreform stehen.

Die Themen sind vielfältig. Einerseits geht es um die Verwaltung, dabei steht auch die Frage im Vordergrund, ob die Lehrer nun Bundes- oder Landessache sind - oder beides bleiben. Kanzler Faymann hat die Richtung bei der Regierungsklausur in Krems angedeutet: Die Verwaltung zu den Ländern, die Steuerung bleibt beim Bund. Damit würden die Lehrer tatsächlich "verländert". Experten schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, der Föderalismus feiert fröhliche Urständ.

Andererseits geht es um Inhalte, um die konkrete Ausformung der Schule. Autonomie ist das neue Zauberwort und soll alle Probleme lösen, für die die Regierung keine Antwort findet. Die Verantwortung wird an die Schulen delegiert - und zwar in zentralen Fragen. Ob es etwa einen verschränkten Unterricht gibt, ob es politische Bildung gibt, wie man mit "Ausländerkindern" umgeht.

Bei der Regierungsklausur kursierte ein Papier, das von beiden Seiten akkordiert war, wie SPÖ und ÖVP eher zögerlich bestätigten, das aber sehr viel Interpretationsspielraum offenlässt. Und diesen nutzten die Koalitionspartner extensiv. Zum Beispiel ist unter der Überschrift "Deutsch vor Regelunterricht" vermerkt, dass Schülerinnen und Schüler über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen müssen, erst dann kann der Übertritt in das Regelschulsystem erfolgen. Explizit ist von "vorbereitenden Klassen" die Rede. Dagegen hatte sich die SPÖ bisher mit Händen und Füßen gesträubt und vor "Ghettoklassen" gewarnt.

Die zuständige Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek will nach wie vor keine eigenen Klassen für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen, Außenminister Sebastian Kurz, der auch für die Integration zuständig ist, geht hingegen davon aus, dass genau diese Klassen kommen werden. Die Lösung: Schulautonomie. Die Schulen selbst sollen entscheiden, wie sie das handhaben.

Ein anderes Beispiel für die Delegierung von Verantwortung ist die politische Bildung, die sowohl SPÖ als auch ÖVP wollen, für die die Regierung aber kein Geld hat. Die Lösung: Schulautonomie. Politische Bildung soll als Pflichtmodul verankert werden, darf aber nichts kosten. Es bleibt den Schulen überlassen, ob sie politische Bildung etwa im Rahmen des Geschichteunterrichts vermitteln oder ob sie ein eigenes Fach einführen - und ein anderes dafür streichen oder kürzen.

Ein drittes Beispiel: die verpflichtende Mitwirkung der Eltern. Die Regierung möchte diese ausbauen und Strafen für Eltern verankern, die etwa nicht bei Sprechtagen erscheinen. Ganz traut sich die Regierung aber nicht drüber. Die Lösung: Schulautonomie. Es bleibt den Schulen überlassen, ob und wann sie die Jugendwohlfahrtsbehörden einschalten und Eltern mit Strafen in ihre Pflicht zwingen.

Schulautonomie ist gut, richtig und wichtig. Wenn die Regierung allerdings ihre Zwistigkeiten, ideologischen Differenzen und ihre Entscheidungsschwäche kaschiert, indem sie die Verantwortung den Schulen zuschiebt und die heiklen, ungelösten Fragen einfach delegiert, dann ist das schlicht verantwortungslos und eine Pervertierung der Autonomie. (Michael Völker, DER STANDARD, 25.3.2015)