Patienten mit schweren Schlaganfällen durch große Thromben in Gefäßen der Hirnbasis dürfen auf wesentlich verbesserte Therapiechancen hoffen. Interventionelle Neurologen, Radiologen und Neurochirurgen entfernen neuerdings das aufgetretene Blutgerinnsel per Katheter, sagten Experten bei einer Pressekonferenz in Wien.

Enges Zeitfenster

In den kommenden Tagen (25. bis 27. März) findet in Graz die Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie statt. Dabei gibt es auch einen Überblick über die modernsten Therapieverfahren beim akuten ischämischen Schlaganfall, der auf der unterbrochenen Blut- und somit Sauerstoffversorgung von Teilen des Gehirns infolge eines Thrombus beruht. Jährlich werden in Österreich rund 25.000 Schlaganfälle registriert. In den nächsten Jahrzehnten wird sich ihre Zahl aufgrund der demografischen Entwicklung verdoppeln.

"Bis zu einem Zeitfenster von 4,5 Stunden gibt es die Möglichkeit, systemisch per Lyse (per Biotech-Medikament rt-PA; Anm.) das Blutgerinnsel aufzulösen. Das funktioniert aber nur schlecht beim Vorliegen eines langen Thrombus und bei einem Gefäßverschluss an der Hirnbasis", sagte Christian Enzinger von der Abteilung für Neuroradiologie der Grazer Universitätsklinik.

Seit wenigen Wochen liegen mit zwei Studien im "New England Journal of Medicine" die Ergebnisse von wissenschaftlichen Untersuchungen vor, bei denen Katheter zur Beseitigung solcher Blutgerinnsel verwendet wurden. Dabei wird über die Leistenarterie ein Katheter bis ins Gehirn vorgeschoben. Eine Drahtspitze durchbohrt den Thrombus, dann wird das Gerinnsel herausgezogen.

Koordinierte Versorgung

Die Voraussetzung dafür ist ein koordiniertes Versorgungsnetz für Schlaganfallpatienten vom Krankentransport in eine Stroke Unit (spezialisierte Abteilung) über die radiologische Untersuchung (MR, CT) und die genaue Einschätzung von potenziellem Nutzen versus Risiko eines solchen Eingriffs für den Patienten. Oft wird dabei zunächst schon eine Thrombolyse - also die Gabe des Gerinnsel-auflösenden Medikaments - durchgeführt und dann in der Klinik der Kathetereingriff angehängt. Er ähnelt den Kathetereingriffen bei Patienten mit akutem Herzinfarkt.

In einer der beiden Studien, die wegen des großen Erfolges vorzeitig abgebrochen wurde, zeigte sich, dass man bei 85 Prozent der behandelten Schlaganfallpatienten den Thrombus mit dem Katheter beseitigen konnte. Die Sterblichkeit wurde im Vergleich zur Standardtherapie (Lyse) faktisch halbiert. Funktionell unabhängig leben konnten 53 Prozent der Behandelten (nach Standardtherapie: 29 Prozent). Insgesamt verdoppelt sich die Erfolgsrate in etwa. In Österreich ist man gerade dabei, die entsprechenden Versorgungssysteme (24 Stunden) zu organisieren. Graz und Wien haben schon solche Einrichtungen.

Die Neurologen spüren jedenfalls in Österreich Sparprogramme und Personalengpässe genauso wie alle anderen Fachgebiete. "Interdisziplinarität braucht Zeit und Raum", betonte die zukünftige Präsidentin der Neurologengesellschaft, Elisabeth Fertl von der Rudolfstiftung in Wien. Versorgungsprobleme würden jedenfalls binnen kürzester Zeit erhebliche Schwierigkeiten verursachen.

"Jeder zweite Mensch in Österreich hat die Wahrscheinlichkeit, dass er einmal im Leben einen Neurologen treffen wird", so die Expertin. Demenzen und Schlaganfälle gehören laut der Neurologin zu den wichtigsten Erkrankungen mit steigender Tendenz bei den Patientenzahlen. (APA, derStandard.at, 23.3.2015)