New York/Frankfurt - Die Deutsche Bank ist einem Zeitungsbericht zufolge erneut ins Visier der New Yorker Finanzaufsicht DFS geraten. Die Behörde habe sich nun auch in die Ermittlungen zu möglichen Manipulationen des Referenzzinses Libor eingeschaltet, berichtete die "Financial Times" (Montagausgabe) unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.
Es sei das erste Mal, dass sich die Behörde an den Libor-Untersuchungen beteiligt. Die DFS ist bei ausländischen Instituten besonders gefürchtet, weil sie im äußersten Fall deren US-Banklizenz entziehen kann.
Der Libor (London Interbank Offered Rate) ist einer der wichtigsten Referenzsätze für Hypotheken und andere Kredite. Von ihm hängen weltweit Finanzgeschäfte im Volumen von mehreren hundert Billionen Dollar ab. Der Zinssatz wird einmal am Tag ermittelt und beruht auf Angaben der Banken zu den Refinanzierungskosten. Behörden rund um den Globus untersuchen schon seit mehreren Jahren, ob Händler an internationalen Referenzzinssätzen wie Libor und Euribor geschraubt haben, um sich Handelsgewinne zu verschaffen. Zahlreiche Großbanken und Brokerhäuser haben bereits hohe Strafen gezahlt. Gegen die Deutsche Bank ermittelt seit längerem unter anderem das US-Justizministerium.
Im Skandal um manipulierte Devisenkurse hat die New Yorker Finanzaufsicht bereits einen Aufpasser in der US-Niederlassung der Deutschen Bank installiert. Er soll die Handelspraktiken genauer untersuchen.
Deutsche Bank vor Umbau
Die Deutsche Bank steht Presseberichten zudem zufolge vor tiefgreifenden Einschnitten. Der radikalste Vorschlag in der Debatte über die künftige Ausrichtung des Dax-Konzerns sehe die Abspaltung des kompletten Privatkundengeschäfts vor, berichteten mehrere Zeitungen am Montag übereinstimmend. Der Vorstand habe dem Aufsichtsrat am Freitag drei Modelle vorgestellt.
Entschieden werden solle spätestens bis zur Hauptversammlung am 21. Mai.
Die Deutsche Bank in Frankfurt kommentierte die Berichte nicht. Ein Sprecher bekräftigte lediglich, das Institut arbeite mit Nachdruck an der neuen Strategie, die im zweiten Quartal vorgestellt werden solle.
Spekulationen
Seit Wochen feilt das Deutsche-Bank-Management am künftigen Kurs des größten deutschen Geldhauses. Dabei soll ohne Tabus geprüft werden, auf welche Geschäfte sich das Institut künftig konzentriert und was angesichts schwacher Gewinne sowie immer strengerer Regeln und Kapitalanforderungen nicht mehr gemacht wird. Zuletzt gab es dabei immer wieder Spekulationen über die Zukunft der Postbank.
Die erste der drei Optionen sieht den Berichten zufolge nun vor, dass die Grundstruktur als Universalbank erhalten bleibt und die Deutsche Bank weiterhin praktisch alle Geschäfte vom Privatkundengeschäft bis zum Investmentbanking betreibt. Für diesen Fall sei ein erneuter Sparkurs vorgesehen. Unter anderem würde dann die Postbank, die immer noch als eigenständige Tochter an der Börse notiert ist, komplett in den Konzern integriert, um Doppelstrukturen abzubauen.
Variante zwei beinhaltet den Berichten zufolge schnellere Einschnitte. Laut "Süddeutscher Zeitung" und "Welt" würde dabei die Bilanzsumme von 1,7 Billionen Euro rasch um 400 Mrd. Euro verkleinert. Die Postbank würde verkauft oder große Anteile der Bonner Tochter würden wieder an die Börse gebracht. Aber auch das Investmentbanking müsste um 150 Mrd. Euro schrumpfen.
Rückzug aus dem Privatkundengeschäft
Der klarste Schritt wäre die Aufspaltung der Bank und der Rückzug aus dem Privatkundengeschäft. Dieses könnte in einer neuen Gesellschaft mit den Marken Postbank und Deutsche Bank an die Börse gebracht werden. Übrig blieben in der Deutschen Bank das Investmentbanking, das Zahlungsverkehrsgeschäft und die Vermögensverwaltung.
Laut "Welt" favorisieren Arbeitnehmervertreter die dritte Variante, weil damit dramatische Einschnitte bei Produkten und Arbeitsplätzen wohl ausblieben. Das "Handelsblatt" schreibt, dies sei intern das bevorzugte Modell. Allerdings würde dem Gesamtkonzern dann künftig die Einlagen der Privatkunden als wichtige und besonders stabil geltende Refinanzierungsquelle fehlen. (APA/Reuters, 23.3.2015)