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Lee Kuan Yew als Premierminister im Jahr 1964.

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Der Staatsgründer bei einem Kongress in Dubai 2005.

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Singapur – Wie kaum ein anderer hat er die Geschicke des Stadtstaats Singapur und die politischen Debatten der Region geprägt: Lee Kuan Yew. Er war der erste Premier des Stadtstaats und formte aus einem mückenverseuchten und an natürlichen Ressourcen armen britischen Kolonialhafen während seiner 30-jährigen Amtszeit eine der wichtigsten Finanz- und Dienstleistungsmetropolen der Welt. Zugleich erregte er in kontroversen Debatten um sogenannte "asiatische Werte" in den 1990er-Jahren Aufsehen. Nun ist Lee im Alter von 91 Jahren gestorben.

Lee wurde am 16. September 1923 als Sohn einer gut situierten Reederfamilie in Singapur geboren. Nach der Schulzeit, die er als bester Schüler Singapurs und Malaysias 1939 abschloss, war Lee Stipendiat am Raffles College der Stadt. 1946 ging er nach Cambridge, wo er sein Jus-Examen am Fitzwilliam College bestand– wieder mit Auszeichnung.

Der Weg zum Reichtum

Zurück in Singapur, startete Lee nach kurzer Zeit als Anwalt seine politische Karriere und war 1954 einer der Gründer der Sozialistischen Volksaktionspartei (People's Action Party, PAP), die bis heute die politische Landschaft des Stadtstaats dominiert. Im Juni 1959 wurde er zum ersten Premier Singapurs gewählt und führte den Stadtstaat in eine Föderation mit dem Nachbarland Malaysia. Diese währte aber nur zwei Jahre – bis Singapur 1963 von Großbritannien unabhängig wurde. Nach seinem Rücktritt als Premierminister 1990 wurde eigens für ihn das Amt eines beratenden Ministers geschaffen, das er bis 2004 führte.

Von Beginn an war Lees Augenmerk auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes gerichtet, der er Priorität gegenüber allem einräumte – auch mit Blick auf die demokratische Verfasstheit des Staates. "Besäße ich in Singapur die absolute Macht, ohne die Bürger fragen zu müssen, ob sie das, was gemacht wird, mögen, dann könnte ich ohne Zweifel wesentlich effektiver in ihrem Interesse regieren", sagte er etwa in den frühen 1960er-Jahren. Dennoch sollte man ihn nicht als Antidemokraten missverstehen, sagen seine Anhänger.

"Asiatische Werte"

In den 1990er-Jahren war Lee einer der Wortführer in der Debatte um sogenannte "asiatische Werte". Dabei ging es um die Gemeinsamkeiten asiatischer Gesellschaften und Bürger und deren wirtschaftliches Wohlergehen – das, so Lees Ansicht, einer Betonung individueller Freiheiten überzuordnen sei. "Nur mit wenigen Ausnahmen haben demokratische Systeme eine gute Regierungsführung in Entwicklungsländern ergeben. Was Asiaten wertschätzen, muss nicht das sein, was Amerikaner oder Europäer wertschätzen", erklärte Lee 1992 in einer Rede in Tokio.

Seine unnachgiebige Politik spiegelt sich bis heute in zahlreichen Erlassen und Verboten, die das Zusammenleben der Bevölkerung regeln. Nicht nur Drogendelikte werden mit äußerster Härte geahndet. Erst im März wurden zwei Deutsche zu neun Monaten Haft und drei Stockhieben auf den nackten Hintern verurteilt, weil sie einen Zug mit Graffitis besprüht hatten.

Lees autokratische Züge spiegeln sich auch in der aktuellen politischen Situation Singapurs wider. Schließlich hat er eine Art Familiendynastie begründet: Sein ältester Sohn, Lee Hsien Loong, ist der aktuelle Premier des Landes.

Dennoch wird sich Singapur in Zukunft nicht allein auf das Vermächtnis seines "elder statesman" verlassen können, meint Pavin Chachavalpongpun, politischer Analyst und Professor an der Fakultät für südostasiatische Studien der Universität Kioto: "Der 'Leeismus' wird nicht überleben in einer modernen Zeit, in der Politik und Wirtschaft nicht mehr voneinander getrennt werden können. Die Ära einer Politik des fügsamen Bürgers ist vorüber." (Christian Vits, derStandard.at, 22.3.2015)