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Blauer Himmel war über der Hypo schon lange keiner mehr zu sehen. Die Notenbanker, die 2008 ein Gutachten fürs Finanzministerium erstellen mussten, weisen den Vorwurf, dabei blauäugig gewesen zu sein, zurück.

Foto: Reuters/Bader

Wien - Die Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria (heute: Heta) und die Umstände, unter denen der Staat ihr Ende 2008 Partizipationskapital (PS-Kapital) gewährt hat, wird nicht nur den U-Ausschuss beschäftigen. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt führt zu beiden Themen Ermittlungen, gegen elf bzw. sieben Beschuldigte. Zudem untersucht die Korruptionsstaatsanwaltschaft gerade die Frage, ob das Urteil der Notenbanker von Ende 2008, die Hypo sei "nicht distressed" (nicht notleidend) einen Anfangsverdacht für Ermittlungen hergibt. Justizminister Wolfgang Brandstetter hat am Sonntag angekündigt, die Justiz werde nicht alle angeforderten Akten für den U-Ausschuss innerhalb der gesetzten Vier-Wochen-Frist liefern können.

Dass die Aufseher in der Nationalbank (OeNB) die taumelnde Hypo als "nicht distressed" eingestuft haben, kritisiert auch der Rechnungshof in seinem jüngsten Bericht harsch. Die OeNB habe "keine klare und eindeutige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage ... der Hypo vorgenommen" und ihre "mit der Erstellung einer derartigen Stellungnahme verbundenen Aufgaben nur unzureichend erfüllt". Die OeNB wehrt sich gegen den Vorwurf - intern soll es bereits zu gegenseitigen Schuldzuweisungen bzw. Verantwortungsabgrenzungen kommen.

Vizechef und neuer Direktor unterschrieben

Denn unterschrieben haben die Stellungnahme der damalige Vizegouverneur, Wolfgang Duchatczek, und Andreas Ittner, seit 1. September 2009 im Direktorium und für die Bankenaufsicht zuständig. Sie haben die hausinterne "Erledigung" entgegengenommen, unterzeichnet und die zweiseitige Stellungnahme am 18. Dezember samt Begleitbrief ans Finanzministerium weitergeleitet. Direkt involvierte Bankenprüfer haben das "nicht distressed" wie berichtet höchst kritisch gesehen.

Namens des Direktoriums schrieben sie: "Auf dieser Basis ist die Hypo Group Alpe Adria daher nicht als ,distressed' im Sinne unmittelbar erforderlicher Rettungsmaßnahmen anzusehen." Das Wortpaar "nicht distressed" gab es zwar in der EU-Diktion nicht, die Hypo bekam aber 900 Mio. Euro vom Staat, zu Bedingungen, die nur gesunden Banken zustanden.

Österreichischer Kompromiss

Zur Erinnerung: Die OeNB, deren neuer Gouverneur damals Ewald Nowotny war, hat im Auftrag des Finanzministeriums die Stellungnahme zum Antrag der Hypo auf 1,45 Mrd. Euro PS-Kapital erstellt. Unterschieden wurden gesunde ("sound") und notleidende ("distressed") Institute. Letztere mussten dem Staat höhere Dividenden (9,3 statt acht Prozent) zahlen, der EU-Kommission Restrukturierungspläne liefern und wurden in der Folge genau überwacht. Bei gesunden Banken haben Nachhaltigkeitsberichte gereicht. Jener der Hypo sollte sich als mäßig nachhaltig erweisen: Das Ergebnis 2009 (1,4 Mrd. Euro Verlust) ist von der Prognose der Hypo-Banker unter Tilo Berlin um 3235 Prozent abgewichen.

Positive Interpretation

Wie auch immer, aus der 25-seitigen "Detailanalyse", die Ittner und Duchatczek am 18. Dezember ans Direktorium weitergeleitet haben, erschließt sich, wie man damals zur Benotung kam. Die Bankprüfer hatten nur drei Tage Zeit, um die Unterlagen "zu plausibilisieren" und "kritisch durchzusehen", wie es in dem Dokument, das dem STANDARD vorliegt, heißt. Eine "detaillierte Prüfung" sei weder Auftrag gewesen, noch hätte die Zeit dafür gereicht.

Die Notenbanker haben sich bei der Glaubwürdigkeit der von der Hypo gelieferten Daten zwar skeptisch gezeigt, bei der "Beurteilung des Risikoprofils" hätten sie das aber "nicht ausreichend berücksichtigt", fasst der Rechnungshof das Problem zusammen.

Am deutlichsten zeigt sich das bei der Einschätzung der "Ertragsentwicklung" für 2008 und die Jahre 2009 bis 2011. Für 2008 habe das Management schwarze Zahlen prognostiziert, der OeNB zur Jahresmitte aber "signalisiert", die Prognose wegen zusätzlicher Wertberichtigungen nicht halten zu können. Im September sei dann schon ein Verlust in dreistelliger Millionenhöhe vorausgesagt worden, heißt es in der "Detailanalyse, die dem Finanzministerium als Hintergrundunterlage übermittelt werden soll" von 18. Dezember. "Nach jetzt vorliegender" Voraussschau gehe der Vorstand von 418 Mio. Konzernverlust aus. (Es wurden dann 520 Mio. Euro.)

Abgenickt

Trotz der Abwärtsbewegung waren die Notenbanker gutgläubig. Die Gewinnprognosen 2009 bis 2011 (367 Mio. bis 526 Mio. Euro) bezeichneten sie in ihrer "kritischen Würdigung" als "äußerst ambitioniert" - nickten sie aber als "Best-Case-Szenario" ab. Warum, kann man aus dem OeNB-Akt nicht ablesen. Tatsächlich setzte es 2009 eben einen Verlust von 1,4 Mrd. und 2010 einen von 1,06 Mrd. Euro. 2011 gab es nach "Sondereffekten" 69 Mio. Gewinn.

Auch bei den Risikovorsorgen sahen die Aufseher laut Analyse nichts Gutes, interpretierten es aber gutwillig. 2007 habe die Hypo 120 Prozent ihres operativen Ergebnisses in neue Kreditrisikovorsorgen gepumpt, 2008 schon 188 Prozent. Und trotzdem: "Positiv zu vermerken ist, dass laut Hypo die Bereinigung des Kreditportfolios ... ihren Abschluss im Dezember 2008 findet." Dass Hypo-Vorstand Andreas Dörhöfer das bereits in einer Sitzung am 24. November, an der auch Notenbanker teilnahmen, ausgeschlossen hatte, blieb unerwähnt.

Immerhin: Rechenfehler haben die Aufseher in den Prognosen der Hypo-Banker nicht gefunden. (Renate Graber, DER STANDARD, 23.3.2015)