Budapest/Wien - Nicht nur die Erste Group hat sich mit Viktor Orbán arrangiert. Alle großen in- und ausländischen Banken verzichten auf einen Rechtsstreit mit Ungarns Regierung und akzeptieren zähneknirschend deren Maßnahmen - von der Zwangsumwandlung der Fremdwährungskredite über Europas höchste Bankenabgabe bis zur Renationalisierung eines Teils des Bankensektors. Das berichtet Mihály Barcza von der Budapester Anwaltskanzlei Oppenheim, der Partnersozietät von Freshfields.

"Wir haben die Grundlagen für eine Investitionsschutzklage gegen die ungarische Regierung sehr ausführlich geprüft; die Aussichten dafür sind aus unserer Sicht gut, bis jetzt haben die Banken allerdings andere Wege beschritten. Die Ansprüche gehen aber nicht verloren", sagt Barcza, der für Freshfields "Stronger Together"-Konferenz vergangene Woche in Wien war, dem Standard. Man hätte zwar vor den ungarischen Gerichten vor allem in der Causa Frankenkredite, bei denen die Banken alle Verluste tragen müssen, Recht erhalten können. Aber Banken seien grundsätzlich konservativ und hätten einen Ausschluss aus dem ungarischen Markt gefürchtet, mutmaßt er.

Inzwischen habe die Regierung ihr selbstgestecktes Ziel erreicht und kontrolliere mehr als die Hälfte des einst von Ausländern dominierten Bankensektors. Zwar habe Orban angekündigt, die Staatsanteile in einigen Jahren wieder zu verkaufen, er bestehe aber auf ungarische Eigentümer. Solche Käufer zu finden werde allerdings nicht leicht sein.

Barcza sieht derzeit keine größeren Rechtsstreitigkeiten zwischen Banken und Regierung, "aber entspannt sind die ausländischen Investoren sicher nicht", sagt er. Die Regierung werbe zwar eifrig um Investitionen in die Industrie, stehe aber Dienstleistern und Banken skeptisch gegenüber. Und das sei kurzsichtig, warnt Barcza: "Berechenbarkeit und Transparenz sind Voraussetzung, wenn man ausländische Investoren anziehen will. Da kann man nicht zwischen industriellen und finanziellen Investoren unterscheiden." (Eric Frey, DER STANDARD, 23.3.2015)