Herrlich verschleppt verkörpert Louane Emera einen Teenager, der familiär voll gefordert ist und trotzdem vor einer großen Karriere als Sängerin steht. Der französische Film "Verstehen Sie die Béliers?" vermag durchaus zu amüsieren - und verzettelt sich dennoch in Komödienroutinen.

Foto: Filmladen

Wien - Einmal steht Paula mit ihrem Mitschüler Gabriel auf einer kleinen Bühne. Die beiden singen Michel Sardous emphatische Liebesvorsatzhymne Je vais t'aimer ("Ich werde dich lieben, wie man dich noch nie geliebt hat!"). Paulas Eltern und ihr jüngerer Bruder Quentin sitzen mitten im Publikum, zu ihnen dringt von der musikalischen Darbietung nur ab und an ein stark gedämpftes Fragment. Aber an den emotionalen Reaktionen der anderen Zuhörenden erkennen auch die gehörlosen Béliers, die im Verbund einer landwirtschaftlichen Kooperative Käse erzeugen, dass ihre Paula da gerade etwas Besonderes tut.

Wunderbar verschleppt

Der französische Arthouseerfolg Verstehen Sie die Béliers? (La famille Bélier) von Regisseur Eric Lartigau erzählt einerseits eine Coming-of-Age-Geschichte rund um Teenager Paula, die Louane Emera wunderbar verschleppt verkörpert: Als Schülerin, landwirtschaftliche Arbeitskraft und wortgewaltige Vermittlerin für ihre Familie hat Paula einen Vollzeitjob.

Aber als ihr monomanischer Musiklehrer (Eric Elmosnino) zufällig entdeckt, dass in dem trotzigen blonden Mädchen ein "Wahnsinnssopran" steckt und er ihr die Teilnahme an einem wichtigen Vorsingen nahelegt, da beginnt Paula einen vorsichtigen Ablösungsprozess von zu Hause. Dabei geht es durchaus vordergründig, aber nicht weniger treffend darum, dass gerade sie erst ihre eigene Stimme finden muss.

Zum anderen weidet sich der Film, der um den Jahreswechsel wochenlang an der Spitze seiner heimatlichen Besucherzahlenrankings lag, jedoch auch an solchen Momenten, die eher in eine derbe Ekelkomödie passen würden - etwa wenn Paula beim Gynäkologen für ihre Eltern dolmetschen muss, weil Mamas Scheidenpilz nicht abheilt und Papa das Verwenden der dagegen verschriebenen, ihm zu krümeligen Salbe verweigert. Vor allem für solche Szenen lohnt sich zwar das Engagement der tollen komischen Mimin Karin Viard in der Rolle der temperamentvollen Gehörlosen.

Unterentwickelter Strang

Aber insgesamt bleibt der Erzählstrang, der sich mit den Béliers und ihrem spontanen Einstieg in den lokalen Wahlkampf befasst, irgendwie unterentwickelt gegenüber Paulas Erwachen. Der stärker an der Wirklichkeit orientierte und der pointiert überdrehte Teil von Verstehen Sie die Béliers? wollen nicht recht zusammenfinden. Immer wieder driftet der Film zudem ab in Komödienroutinen, und als Ganzes wirkt das dann einfach unrund. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 21.3.2015)