Es kommt die Sonne und die Lust, zu verweilen. Länger als den schönen Augenblick vom Faust, ewiger als ewig. Die Schanigärten wuchern, die Heizschwammerln werden ins Exil geschickt. Wagemutige verlassen ihr Basislager ohne Kopfbedeckung. In öffentlichen Parks ist Urlaubsstimmung ausgebrochen. Orte möglicher Einkehr verändern sich: Die einstmals kleine, feine Meierei im Prater ist zur Massenlustbarkeit verkommen. Im gleichbleibend kleinen Gedöhns gibt es neben weißem Schokokuchen frischgepressten Gemüsesaft. Man denkt an die nahe Zukunft und entscheidet sich für Letzteres. In der Praterallee grünen wieder die Pinkelbüsche. Eichhörnchen warten auf die Balzzeit, Hunde warten auf die Eichhörnchen, alles dreht sich um Sehnsucht. Hunde, auch die kastrierten, wissen, was es geschlagen hat, und sind alle aufgedreht wie eine Horde Kleinkinder.

Kleinkinder toben im frisch sprießenden, mit Veilchen durchsetzten Gras herum wie ein Rudel überdrehter Hunde. Die Bäume lassen sich noch Zeit - für Frühlingsfanatiker schade, für Allergiker ganz angenehm, für frühlingsfanatische Allergiker ein Schwebezustand voller Zerrissenheit, vergleichbar mit einem französischen Problemfilm. Den Freunden des österreichischen Problemfilms sei gesagt: Für Hundstage ist es noch zu früh. Die Steuerreform kündigt eine schöne neue Welt an. Die Märzenbecher auch. Die Schnittmenge dieser beiden Welten ist noch nicht ausgerechnet. Im Lokal am Radetzkyplatz trägt mein Lieblingskellner Stühle in den schönen Gastgarten hinaus und brüllt seinem Kollegen zu: "Ich entzieh dir das Wahlrecht." Was der Kollege gewählt hat, ist nicht bekannt. (Julya Rabinowich, DER STANDARD, 21./22.3.2015)