Screenshot: Twitter

Zyniker würden behaupten, die Sekigun-ha leisteten Pionierarbeit auf ihrem Gebiet. Zumindest begingen die japanischen Linksterroristen im Jahr 1970 eine Straftat, die im Gesetzbuch ihres Heimatlandes bis dato noch nicht einmal erwähnt wurde. Sie entführten eine Maschine der Japan Airlines und steuerten damit Kuba an. Die Landung in Pjöngjang war an sich nur als Zwischenstopp gedacht. Da Kim Il-sung die japanischen Gäste jedoch nicht weiterziehen ließ, leben sie bis heute in Nordkorea – ergraut und vereinsamt, aber auch in relativem Luxus.

Ihnen wurde eine eigene Siedlung errichtet, das sogenannte "Revolutionsdorf". Gemeinsam mit über 20 weiteren Linksextremisten lebten sie in selbst für japanische Standards elitären Verhältnissen. Ihnen wurden nicht nur Hausdiener zur Seite gestellt, sondern auch ein Fuhrpark eingerichtet. Die weltlichen Vergnügen sollten die unfreiwilligen Migranten bei der Stange halten. Mindestens einer von ihnen soll bei einem Fluchtversuch ums Leben gekommen sein.

Mittlerweile hat das "Revolutionsdorf" längst bessere Zeiten gesehen. Von den insgesamt 36 Bewohnern sind nur mehr vier übrig geblieben - die letzten Angehörigen der Sekigun-ha. Noch immer genießen sie Privilegien wie Satellitenschüsseln, einen internationalen Telefonanschluss und mehrere Computer. Diese haben zwar keinen Internetzugang, können jedoch E-Mails senden und empfangen. Völlig ausreichend also, um aus dem analogen Exil hervorzukriechen.

Über einen Nordkorea-affinen Freelance-Journalisten, den Japaner Hasumi Kobayashi, initiierten sie im letzten September ihren ersten Web2.0-Gehversuch. Einmal im Monat schicken sie Mails an eine Unterstützer-Gruppe nach Japan, die die Texte wiederum für ihren Twitter-Account aufbereitet. Dort posieren die vier auf einem alten Schwarzweißfoto als muskelbepackte Marxisten in Badehose. In einem aktuellen Bild sind sie mit grauen Schläfen und altersmildem Lächeln zu sehen. Über Viertausend Follower möchten von den ehemaligen Flugzeug-Kidnappern auf dem Laufenden gehalten werden.

Inhaltlich geht es unter anderen um die japanisch-nordkoreanischen Beziehungen, aber auch um die Vormachtstellung ihrer eigenen Geschichtsschreibung. Die Sekigun-ha möchte auf Twitter die internetaffine Jugend des Landes erreichen, die zu großen Teilen kaum mehr von der Existenz der Terrortruppe weiß.

Längst haben dutzende, ehemals linksradikale Japaner aus den 70er Jahren ihre Internetauftritte lanciert. Auf Blogs und über soziale Medien schildern sie ihre Sicht der Dinge. Im Netz schreit man jedoch bekanntlich nicht in einen luftleeren Raum. Die Shitstürme sind bisweilen gewaltig.

"Es gibt mehr schroffe Reaktionen als erwartet. Auch wenn viele Nachrichten voreingenommen sind, sollten wir ihnen antworten", erzählte einer der Gründer der Sekigun-ha in einem Telefoninterview mit der Japan Times.

Schon mehrmals hat die Gruppe verkündet, wieder nach Japan einreisen zu wollen. Sie sieht sich als Opfer einer politischen Intrige, die ihre Rückkehr verhindert. In ihrem Heimatland drohen ihnen noch immer saftige Gefängnisstrafen. Im Jahr 2002 haben sie zumindest in Verhandlungen erreicht, dass ihre Frauen und Kinder wieder legal nach Japan einreisen durften.

Dass auch sie begnadigt werden, dafür müsste schon eine Revolution passieren. Nun ja, würden Zyniker nun anmerken: Beim arabischen Frühling bis hin zum Maidan war Twitter ja auch nicht ganz unbeteiligt.