Auch wenn einem naturgemäß nicht jede einzelne Juryentscheidung zu 100 Prozent nachvollziehbar erscheint, ist allein die Initiative, Preise für die "schönsten Bücher" auszuloben und in einem Festakt staatstragend zu übergeben, ein eindeutig positives Zeichen für die von Krise und Digitalisierung gebeutelte Branche. Gerade in einer Zeit, in der jede Kaulquappe der Generation Selfie ungefragt, ungebeten und unredigiert ihre kreativen Ergüsse via Web oder mittels Do-it-yourself-Verfahren - unterstützt von als Herausgebern getarnten Providern, die realiter professionelle Verlage aushebeln – irgendwie publik macht, ist jede moralische und monetäre Unterstützung für Kreative, die sich der guten alten Gutenberg-Galaxis der Buchkunst besinnen, ein Statement. Das analoge Buch wird also nicht auf dem Altar der Marktwirtschaft (© Stefan Gmünder) geopfert – im Gegenteil: Ihm wird ein Heiligenschrein für Wissen, Qualität und Ästhetik errichtet.
Abgesehen vom gedanklichen Universum, das Autorinnen und Autoren in der Offenbarung ihres Innersten gewähren, gibt es eine Unzahl kreativer Prozesse, die eine Publikation zum Genuss machen. Wahrlich ein Fest für alle Sinne ist ein gut gemachtes, liebevoll gestaltetes Buch. Vielen Lesern ist oft nicht bewusst, was alles handwerklich notwendig ist, um die Lektüre zu einem Gesamtkunstwerk zu machen. Da ist die Wahl der Schrift, der Einsatz unterschiedlicher Typografien, der maßvolle oder auch opulent-überfrachtende Einsatz von Illustrationen, Fotos, Grafiken und Zeichnungen, die Auswahl von Papieren, die sich unterschiedlich anfühlen und aussehen, der Geruch des Umschlages aus Karton, Leder, Leinen, das haptische "Begreifen" von geprägten Rücken oder Covers, der schmucke Einsatz eines Lesebändchens etc., etc.
Zudem scheint das schon so oft lautstark und vehement als "die Zukunft" schlechthin postulierte E-Book zu stagnieren. Noch vor zwei Jahren waren sich die Fortschrittsgläubigen aller Länder einig: Das gedruckte Buch habe keine Zukunft. Die digitale Revolution werde Gutenbergs Universum auf den Friedhof der Geschichte begleiten. Die Realität ist vorerst (gemach, gemach!) eine andere. Der Marktanteil im deutschen Sprachraum stieg in zwei Jahren von 3,9 nur auf 4,3 Prozent, in den USA stagnieren die Absätze sogar komplett, obwohl E-Reader massiv durch Dumpingpreise verbreitet wurden. Warum? Weil Menschen, die ohnehin den ganzen Tagen berufsbedingt in einen Bildschirm schauen, sich nicht noch des Abends von einem Elektrogerät abhängig machen wollen. Zudem fehlt die Möglichkeit, es weiterzugeben, zu tauschen, etwas zu markieren, sich zu eigen zu machen. Es fehlt das Rascheln beim Blättern, die Haptik von Leinen, von Leder, von Papiersorten unterschiedlicher Farbe, Stärke und Ästhetik. Von der emotionellen Komponente ganz zu schweigen. Schön ist ein Buch auch, und Teil der kulturellen Identität.
Nun zurück zu den heimischen Werken, die für diesen Kampf gegen die schnelllebige Wegwerfgesellschaft prämiert wurden. Für das Jahr 2014 beurteilte die Jury 217 Bücher, die von Verlagen und Druckereien eingereicht worden waren.
Ausgezeichnet wurden 15 Bücher, drei mit einem mit 3000 Euro dotierten Staatspreis bedacht. Auffallend ist, dass einander Bücher namhafter Verlage und exotische, exaltierte Publikation, die teilweise gar nicht in den Handel kamen, nur einem handverlesenen Publikum vorbehalten waren, beinahe die Waage halten.
Bei den ausgezeichneten Werken stimmt die Balance von Inhalt und Form, von Haptik und Optik. Inhalte werden spürbar, Gedanken durch Freiräume nachvollziehbar. Man kann Inhalte förmlich riechen, das Holz im Papier fühlen, Farbe ertasten und schmecken. Mit Weißraum wird gespielt wie mit losen Gedanken. Schriftarten setzen Zäsuren und erlauben bibliophile Verdichtungen.
Bundesminister Josef Ostermayer hob während der von Standard- Autor Michael Freund eloquent und charmant moderierten Verleihung im Kongresssaal des Bundeskanzleramtes – übrigens der Raum, an dem vor exakt 200 Jahren 1815 die Abschlusskonferenz des Wiener Kongresses stattfand – hervor, wie wichtig schön gestaltete Bücher sind: "Es heißt: 'Lesen ist wie Sehen.' In Menschen die Liebe zum Lesen zu entfachen bedeutet oftmals, ein 'Sehen' aus einem anderen Blickwinkel zu ermöglichen. Gute Bücher sind der Weg dazu. Schöne Bücher ein Anreiz, diesen auch zu gehen. Ich freue mich sehr, dass die 'Schönsten Bücher Österreichs' auch heuer wieder ausgezeichnet werden. Dies ist ein Zeugnis dafür, dass Optik und Haptik eines Buches auch in Zeiten des digitalen Lesens immer noch von hoher Bedeutung sind." Benedikt Föger, der Präsident des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels, unterstrich, dass kunstvolle Gestaltung für die Zukunft des gedruckten Buches weiter an Bedeutung gewinnen wird: "Schöne Bücher werten den Inhalt auf und machen oft erst richtig auf diesen aufmerksam. Man will sie besitzen, sie erleben und mit ihnen leben. Ich bin daher überzeugt, dass die Rolle der Buchgestaltung in Zukunft sicher zunehmen wird."
Bleibt nur zu hoffen, dass die Wertschätzung à la longue nicht doch einer rein utilitaristischen Wertschöpfungskette zum Opfer fällt und über so schwachsinnige, der alles egalisierenden tagtäglichen Nivellierung nach unten geschuldete Ideen wie jene, das Erlernen der Handschrift in Zukunft nicht mehr zu lehren, der Mantel des Schweigens gebreitet wird. (Gregor Auenhammer, Album, DER STANDARD, 21./22.3.2015)