Wien - Das mehr als 200 Jahre alte Erbrecht wird modernisiert und den gesellschaftlichen Gegebenheiten angepasst. Pflegeleistungen Angehöriger oder von Lebensgefährten sollen künftig abgegolten werden - und Lebensgefährten auch ohne Testament zum Zug kommen, wenn es keine anderen gesetzlichen Erben gibt. Die Fortführung von Unternehmen soll durch die Stundung von Pflichtteilen erleichtert werden.

Für jeden lesbar

Das sieht der - mit der SPÖ abgestimmte - Entwurf vor, den Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) heute, Freitag, für sechs Wochen in Begutachtung gibt. Sein Ziel ist ein "klares und modernes Erbrecht, das für jeden verständlich ist". Die bisher ziemlich komplizierten Bestimmungen sollen "für jeden Bürger lesbar, greifbar und vor allem nachvollziehbar dargestellt" werden. Dafür waren viele Änderungen nötig: In sieben Hauptstücken des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches werden rund 350 - von insgesamt 1.500 - Paragrafen geändert.

Erleichterte Betriebsübergaben

Als wichtigste Neuerungen nennt Brandstetter die Berücksichtigung von Pflegeleistungen und die Erleichterung der Übergabe von Familienbetrieben. In den nächsten zehn Jahren würden bis zu 58.000 Betriebsübergaben erwartet, 70 Prozent davon seien Familienbetriebe. Der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung getragen werden soll mit dem "außerordentlichen" Erbrecht für Lebensgefährten.

Mit seiner Reform will der Minister das Problem lösen, dass Familienbetriebe häufig zerschlagen werden oder dass ein Erbe seine Wohnung verliert, weil er die Pflichtteilsberechtigten nicht sofort auszahlen kann. In diesen Fällen sollen die Pflichtteile auch in Raten ausgezahlt beziehungsweise bis zu fünf Jahre (mit Verlängerung durch das Gericht in besonderen Fällen bis zehn Jahre) gestundet werden können. Droht ein Konkurs, soll das Gericht aber auf Antrag die Sicherstellung des Pflichtteils anordnen können - und für die Stundung fallen die gesetzlichen Zinsen an.

Bei der Verteilung des Erbes berücksichtigen will Brandstetter, "wenn sich jemand aufopfernd um seinen kranken Verwandten kümmert". Bisher mussten man dafür selbst einen Prozess führen - künftig sollen berechtigte Ansprüche im Verlassenschaftsverfahren abgegolten werden. Dies allerdings nur für gesetzliche Erben, ihre nahen Angehörigen (z.B. die Schwiegertochter eines Verstorbenen) und auch Lebensgefährten für Pflege in den letzten drei Jahren vor dem Tod.

Kein Pflichtteil mehr für Eltern und Großeltern

Gestärkt wird das gesetzliche Erbrecht (das zur Anwendung kommt, wenn es kein Testament gibt) von Ehegatten und eingetragenen Partnern. Der Pflichtteil für Eltern und Großeltern fällt weg, nur mehr Kindern und Ehegatten soll ein Pflichtteil (also zumindest ein Teil des Erbes, auch wenn es ein auf jemanden anderen lautendes Testament gibt) zustehen.

Lebensgefährten sollen künftig auch erben können, wenn der Verstorbene dies nicht per Testament geregelt hat - aber nur, wenn es keine gesetzlichen Erben (das sind Ehegatten, Kinder, Eltern, Geschwister, Großeltern) gibt und verbleibendes Vermögen an den Staat fiele. Als Voraussetzung sieht der Entwurf eine Lebensgemeinschaft in den letzten drei Jahren vor - aber nicht unbedingt einen gemeinsamen Haushalt, etwa wenn der Partner im Pflegeheim gelebt hat. Besteht neben der Lebensgemeinschaft noch eine aufrechte Ehe, geht freilich der Ehegatte als gesetzlicher Erbe vor.

Der Rechtsprechung trägt der Entwurf mit einer Regelung zur Scheidung Rechnung: Wird eine Ehe geschieden, hat der Ehegatte kein Erbrecht mehr, ein Testament zu seinen Gunsten gilt als aufgehoben - und das auch für den Fall, dass eine Scheidungsklage (der stattzugeben gewesen wäre) eingebracht wurde, es aber wegen des Todes des Partners nicht zur Scheidung kam.

Wann enterbt werden kann

Erblasser sollen etwas mehr Möglichkeit bekommen, über ihren Nachlass zu verfügen: Die Enterbungsgründe sollen "maßvoll" erweitert werden - z.B. um (mit mindestens einem Jahr Haft bedrohte) Straftaten gegen nahe Angehörige oder grobe Verletzungen der Eltern-Kind-Pflichten. Gestrichen wird hingegen der Enterbungsgrund der "beharrlichen Führung einer gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößigen Lebensart". Außerdem soll ein Erblasser einen Pflichtteil künftig auch auf die Hälfte reduzieren können, wenn mehr als zehn Jahre kein familiärer Kontakt bestand. Bisher ist dies nur möglich, wenn es gar keinen Kontakt gab. (APA, 20.3.2015)