"Was wühlt er da in Serbien?", empörte sich Serbiens Präsident Tomislav Nikolic vor wenigen Wochen, als der Sonderstaatsanwalt für Kriegsverbrechen, Vladimir Vukcevic, die Untersuchung von Serbiens Generalstabschef Ljubisa Dikovic anordnete. Zuvor hatte der Fonds für humanitäres Recht eine Dokumentation über Dikovics angebliche Verantwortung für Kriegsverbrechen im Kosovo vorgelegt. Demonstrativ verlieh das Staatsoberhaupt seinem Generalstabschef daraufhin einen Orden.

Doch Vukcevic ließ sich nicht einschüchtern und "wühlte" weiter. Am Mittwoch wurden in Serbien acht Personen unter dem Verdacht festgenommen, am Massaker im bosnischen Srebrenica im Juli 1995 beteiligt gewesen zu sein. Bosnisch-serbische Truppen töteten damals in wenigen Tagen über 7000 muslimische Buben und Männer. Der Internationale Gerichtshof bewertete dies 2007 als Völkermord.

Das Thema Srebrenica wird in Serbien meist totgeschwiegen. Dass die Sonderstaatsanwaltschaft nun zum ersten Mal ohne Druck des Haager Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien Anklage gegen Verdächtige in der Causa Srebrenica erhob und sie verhaften ließ, gilt als Durchbruch.

Der bekannteste in der Gruppe ist der ehemalige Kommandant einer Sondereinheit der Polizei der Republika Srpska, Nedeljko Milidragovic, den man während des Krieges "Nedjo der Schlächter" nannte. Milidragovic wurde in seinem luxuriösen Haus in Belgrad festgenommen, berichten serbische Medien. Vor Ausbruch des Krieges war er Fleischhauer, nach Kriegsende zog er nach Serbien und wurde erfolgreicher Geschäftsmann. Laut Aussage eines Mittäters habe er von erschossenen Menschen "in vier Stunden 103.000 Deutsche Mark geplündert". Mit diesem Geld soll er sein Business gestartet haben.

Mit den Verhaftungen habe der Staat zum Verbrechen in Srebrenica Stellung genommen, erklärte Vukcevic. Vor zwei Jahren sei eine Vereinbarung über die Kooperation mit der bosnischen Staatsanwaltschaft unterzeichnet worden. Das habe serbischen Untersuchungsorganen Zugang zu Zeugen und Beweismaterial ermöglicht.

Das Haager Tribunal erhob wegen des Völkermords in Srebrenica zwanzig Anklagen. Bisher wurden zehn Personen verurteilt: drei zu lebenslanger Haft, sieben zu gesamt 128 Jahren Haft. Die Verfahren gegen den Expräsidenten der Republika Srpska, Radovan Karadzic, und den früheren Oberbefehlshaber der bosnischen Serben, Ratko Mladic, sind im Gange. (Andrej Ivanji aus Belgrad, DER STANDARD, 20.3.2015)