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Leonardo DiCaprio wurde im Film gefasst - der reale Lee nun auch.

Foto: Reuters / Miramax Films

Der 15-jährige Lee ist gewiss kein gewöhnlicher Gymnasiast. Mit Fußball hat er es nicht so, auch Musikinstrumente liegen ihm fern. Seine Kreditkartensammlung ist jedoch beachtlich. Und einen Sportwagen, den besaß er auch. Zumindest, bis die Polizei am Mittwoch vor seiner Wohnungstür stand. Im Zimmer des Schülers fanden die Beamten mehr als zwei Dutzend gefälschte Kreditkarten. Bargeld habe er keines, beteuerte der Südkoreaner mit dem Milchbubigesicht. Eine glatte Lüge, wie sich herausstellen sollte: Unter dem Bett kramten die Polizisten einen mit umgerechnet mehr als 50.000 Euro gefüllten Schuhkarton hervor.

Ein bisschen erinnert der Tathergang an den auf wahren Begebenheiten basierenden Hollywood-Streifen Catch me if you can: Genau wie der von Leonardo DiCaprio verkörperte Frank Abagnale, der wohl berüchtigste Hochstapler seiner Zunft, führte auch Lee die Betrügereien brillant und kaltblütig zugleich durch.

Kontodaten online gekauft

Über einen Online-Versandhändler kaufte sich der 15-Jährige einen gewöhnlichen Magnetkartenschreiber. Gleichzeitig nahm er über ein Chatprogramm zu amerikanischen Informanten Kontakt auf, die ihm die Kontodaten von mehr als 60 Privatpersonen verkauften. "Mit den Daten und der Maschine braucht es nur wenige Minuten, um eine gefälschte Magnetkarte zu drucken", sagt Cheong Yong-hee von der Seouler Polizei. In Südkorea wurden die Kartenlesegeräte noch immer nicht einheitlich auf die schwerer zu fälschenden Chipkarten umgestellt.

In einem Minimarkt um die Ecke kaufte der Teenager ein paar Limonaden, um seine Karten auszutesten. Als der Deal gelang, lud er noch am selben Abend fünf seiner Klassenkameraden zu einer Runde ins Internetcafé ein. Dann begann der eigentliche Beutezug.

Mehrere Zehntausend Euro investierte er in Bitcoins, einer digitalen Währung, die derzeit bei rund 275 US-Dollar pro Einheit steht. Die Bitcoins ließ er sich wiederum bei einem eigens dafür eingerichteten Automaten in Seoul auszahlen. Im Anschluss klapperte Lee Elektrofachhändler ab, um Computerprozessoren einzukaufen, die er dann online verscherbelte. Schon war das Geld gewaschen und die Spuren verwischt.

Mehr als 170.000 Euro erbeutet

Nach einigen Wochen wies er fünf weitere Schulkameraden in die hohe Kunst des Kreditbetrugs ein. Die Jugendlichen fälschten mindestens 60 Magnetkarten, mit denen sie mehr als 170.000 Euro ergaunert haben sollen. Sie gönnten sich ein Auto und hantierten mit gefälschten Pässen, auf denen ihre Handy-Verträge für die illegalen Geschäfte liefen.

Erst nach mehr als zwei Monaten fiel der Polizei eine Ungereimtheit auf: Ständig wurde Geld von ausländischen Kreditkarten abgehoben - deren Besitzer waren jedoch nie nach Korea eingereist. (Fabian Kretschmer und Saebyul Hwang aus Seoul, DER STANDARD, 20.3.2015)