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Die Aufarbeitung der Vergangenheit dauert - die Schlüsse ähneln einander.

Montage: STANDARD/Karner, Seywald Foto: Reuters/Bader

Wien - Rechtzeitig vor dem Start der Zeugenbefragungen im Hypo-U-Ausschuss Mitte April hat der Rechnungshof Diskussionsstoff im Umfang von 315 Seiten auf den Tisch gelegt. Gestern, Donnerstag, haben die staatlichen Prüfer ihren Bericht zur Verstaatlichung Ende Dezember 2009 veröffentlicht. Ihr Resümee fällt, wie sich im Berichtsentwurf abgezeichnet hatte, ziemlich verheerend aus. Ob Thema Verhandlungen der Republik mit den Bayern vor der Verstaatlichung, wirtschaftliche Entwicklung und Risikovorsorgen oder Aufgabenwahrnehmung durch Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer und Aufseher: Alle Involvierten hätten ihre Aufgabe "unzureichend erfüllt", urteilt der Rechnungshof.

Neuerlich weist der Rechnungshof auf die Berechnungen der OeNB hin, wie hoch die Belastungen österreichischer Banken im Falle einer Hypo-Insolvenz gewesen wären. Allein die Hypothekenbanken wären mit 3,2 Milliarden Euro betroffen gewesen, drei der Institute hätten Kapitalerhöhungen von mindesten 87,5 Millionen Euro benötigt. Im Rohbericht hat der Rechnungshof die Hypobanken noch benannt: Es waren jene Vorarlbergs, der Steiermark und Niederösterreichs. In letzterem Bundesland regiert mit Erwin Pröll der Onkel des damaligen Finanzministers Josef Pröll. In seinem Endbericht verzichtet der Rechnungshof auf die Nennung der drei Hypos. Man sei aus Gründen der Vertraulichkeit dazu verpflichtet gewesen, erklärte eine Sprecherin.

111 folgenlose Berichte

Was im Bericht bliebt: An der Quantität der Prüfungen der Hypo ist es nicht gelegen. Allein zwischen 2006 und 2009 hat die interne Revision 111 Berichte verfasst, die Wirtschaftsprüfer haben drei Prüfberichte sowie Management-Letter erstellt, und die Oesterreichiche Nationalbank (OeNB) hat in der Zeit vier Vorortprüfberichte erstellt. Die Mängellisten waren lang, die Folgen überschaubar.

Die Interne Revision hat in der rasant wachsenden Bank ein besonderes Mauerblümchendasein geführt. Sie überreichte dem Vorstand jeweils lange Mängellisten samt Maßnahmenkatalog - viel Beachtung wurde ihnen aber nicht gezollt. Laut RH nahm sie der Vorstand "größtenteils ohne Diskussion zur Kenntnis". Das tat auch der Aufsichtsrat. In seinen Sitzungen habe die Berichtszeit des jeweiligen Revisionschefs ab Ende 2007 gerade einmal "zwischen fünf und 15 Minuten" betragen, das sei zu wenig gewesen. Inhaltliche Auseinandersetzung mit den vorgetragenen Mängeln und der "Zeitverzögerung bei deren Behebung"? "Nicht dokumentiert", so die Prüfer.

Keine Mängelbehebung

Vor allem die Mängel im Kreditprozess (sorglose Kreditvergabe war der Hauptgrund für den Untergang der Hypo) wurden von internen wie externen Prüfern aufgezeigt und "existierten teilweise über mehrere Jahre". Von einer "zeitnahen Behebung" habe man daher nicht ausgehen können. Die Bank betonte in ihrer Stellungnahme, dass die erforderlichen Maßnahmen "seit der Verstaatlichung" durchgeführt worden seien. Sowohl OeNB als auch FMA hätten Aufsichtsmaßnahmen gesetzt, die Reaktionen seien aber "unzureichend" ausgefallen.

"Zu optimistisch"

Für ihre Performance vor der Verstaatlichung bekommen OeNB wie FMA ihr Fett ab. Beide hätten "mehrmals feststellen müssen", dass die Prognosen der Bank "zu optimistisch waren". Zudem habe die OeNB schon Ende 2008 in ihrer Stellungnahme ans Finanzministerium vor der Zuzählung des PS-Kapitals das Kreditportfolio der Bank als "mittel bis schlecht" qualifiziert und Bonitätsverschlechterungen erwartet. Trotzdem hätten die Aufseher den Planungsrechnungen der Bank vertraut und kein zusätzliches Kapital von den Eigentümern gefordert. OeNB wie FMA sehen es anders. Die BayernLB habe versichert, für die nötige Kapitalausstattung zu sorgen, zudem habe man "massiv auf eine Kapitalerhöhung gedrängt", die Ende 2007 und 2008 auch gekommen sei.

Doch die Kritik an der Notenbank geht noch weiter. Der Rechnungshof hält den Aufsehern vor, Ende 2008 bei der ersten Hilfsaktion der Republik für die Hypo mit der Einstufung als nicht distressed (notleidend) ihre Aufgaben "nur unzureichend" erfüllt zu haben. Die Prüfer erinnern, dass die EU-Kommission die beiden Kategorien distressed oder sound (gesund) unterschied. Der Kunstgriff der Notenbank brachte eine "ungenügende Entscheidungsgrundlage" bei der Gewährung des Partizipationskapitals.

Fehler im Finanzministerium

Aber auch Finanzminister Josef Pröll und die für die Verwaltung des Partizipationskapitals zuständige Fimbag kommen im Bericht schlecht weg. Pröll, der namentlich nicht genannt wird, habe schon im August 2009 im Gespräch mit seinem bayerischen Amtskollegen Georg Fahrenschon eine Insolvenz ausgeschlossen und damit die Verhandlungsposition Österreichs geschwächt. Zudem hätte das Ministerium die Finanzmarktaufsicht mit einer Sonderprüfung der Hypo beauftragen können - was es aber nicht tat. Auch die Fimbag nutzte ihre Buch-, Betriebsprüfungs- und Einsichtsrechte bei der Hypo nicht. Der große Zeitdruck, mit dem die Regierung bei der Verstaatlichung oft argumentiert, wird vom Rechnungshof relativiert: Die Prüfungen hätten schon bei der dramatischen Verschlechterung der Hypo-Lage Mitte 2009 wahrgenommen werden können. (Renate Graber, Andreas Schnauder, 19.3.2015)