Italiener sind von ihren Politikern und Staatsmanagern in Sachen Korruption und Selbstbereicherung einiges gewohnt. Doch der jüngste Skandal übersteigt in seiner Dimension das meiste, was in den letzten Jahren aufgeflogen ist. Entsprechend kocht die Volksseele.

Die Korruption ist - zusammen mit der Mafia - das mit Abstand größte Problem der italienischen Gesellschaft. Im Ranking von Transparency International liegt Italien zusammen mit Griechenland, Bulgarien und Rumänien auf dem letzten Platz aller EU-Länder, ex aequo mit Senegal und Swasiland. Der italienische Rechnungshof beziffert den Schaden, den Bestechung und Bestechlichkeit in Italien anrichten, mit 60 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Bekämpfung der Korruption müsste höchste Priorität genießen - doch in keinem Bereich liegen hehre politische Reformversprechen und die bittere Realität so weit auseinander wie hier. Auch Premier Matteo Renzi hat in seinem ersten Amtsjahr letztlich keinen Finger gerührt.

Der neue Skandal wäre eine passende Gelegenheit für den Regierungschef, den Kampf gegen die Korruption nicht nur mit Worten, sondern endlich auch mit Taten zu führen. Als Erstes müsste er klarmachen, dass Infrastrukturminister Maurizio Lupi in seiner Regierung nicht mehr tragbar sei. Es wäre das Zeichen, auf das die Italiener seit langem warten: dass die Politik doch noch über einen Rest von Selbstreinigungskraft verfügt. (Dominik Straub, DER STANDARD, 19.3.2015)