Wohnanlage der Gedesag in Kematen an der Ybbs. Auf dem flachen Land werden meist freiwillig mehr Parkplätze gebaut als vorgeschrieben.

Foto: Gedesag

Alfred Graf: "In den Gemeinden gibt es oft zusätzliche Auflagen bezüglich der Stellplätze - das ist paradox."

Alfred Graf, Obmann der niederösterreichischen Gemeinnützigen, über den manchmal zu großen Optimismus auf dem Land, was den Wohnraumbedarf betrifft, und unnötige Auflagen bei Garagen.

STANDARD: Niederösterreich hat im vergangenen Jahr sein Wohnbaufördersystem geändert. Wie kommen Sie damit zurecht?

Alfred Graf: Naja, geändert hat sich das Fördermodell, nicht das Grundsystem. Und dieses lautet: Mindestens zweimal im Jahr gibt es Wohnbaufördersitzungen. Da stellt man einen Antrag, welche Projekte man gerne genehmigt hätte.

STANDARD: Hat die Genossenschaft zu diesem Zeitpunkt üblicherweise schon das Grundstück erworben?

Graf: Nicht immer. Oft hat man nur eine Kaufoption. In der Zwischenzeit werden Projektentwicklung und Bauverfahren erledigt und die Fördermittel beantragt. Und vor jeder dieser Sitzungen verlangt das Büro des politisch zuständigen Referenten - Wolfgang Sobotka - einen Bericht über den aktuellen Leerstand des betreffenden Unternehmens. So kann der Überblick bewahrt und verhindert werden, dass viel Geld in eine Gegend fließt, wo es eh noch freie Wohnungen gibt.

STANDARD: Wie auf "noe-wohnservice.at" ersichtlich ist, gibt es aber einen relativ konstanten Leerstand von rund 1000 Wohnungen. Wurde da am Bedarf vorbeigebaut?

Graf: Ich kenne die einzelnen Projekte nicht alle. Dass irgendwo Wohnungen gebaut werden, die überhaupt nicht gebraucht werden, schließe ich aber aus. Natürlich sind alle Gemeinden bemüht, Wohnungen anzubieten, weil sie vielleicht mit Abwanderung zu kämpfen haben. Da war dann zum Teil vielleicht der Optimismus ein bisschen zu groß.

STANDARD: Wessen Optimismus - der Gemeinde oder des Bauträgers?

Graf: Zu verantworten hat ihn letztlich natürlich der Bauträger. Aber der sucht vorher die Partnerschaft mit der jeweiligen Gemeinde. Wenn Vormerklisten da sind, ist es sehr schwer, die vorab auf ihren effektiven Gehalt zu prüfen. Man baut dann vielleicht anhand dieser Vormerkungen gleich zwei Gebäude mit je zwölf Wohnungen gleichzeitig, anstatt eins nach dem anderen. Und wenn sie fertig sind, kriegt man anfangs nur 13 oder 14 Wohnungen weg. Ein ganz schwieriger Markt ist etwa das "Betreute Wohnen": Da sind die Infoveranstaltungen in den Gemeinden enorm gut besucht, und es gibt sehr positive Rückmeldungen, auch in kleineren Gemeinden. Viele bräuchten diese Wohnungen allerdings sofort und nicht erst in zwei Jahren, wenn sie fertig sind. Bis dahin kann sich während der Bauphase einiges ändern. Manche müssen dann doch in ein Pflegeheim. Und dann kann man gleich einmal fünf, sechs Wohnungen nicht vergeben.

STANDARD: Die stehen dann leer?

Graf: In solchen Fällen gibt es vom Land die Erlaubnis, die Wohnungen befristet auch "normalen" Wohnungssuchenden zu geben - natürlich nur unter Einhaltung der Einkommensgrenze und mit Begründung des Hauptwohnsitzes. Das ist deshalb erlaubt, damit zum einen das betreffende Unternehmen keinen Schaden erleidet - denn wenn eine Wohnung leersteht, belastet das ein Unternehmen mit allen Aufwendungen wie Annuitätendienst, Betriebskosten, Heizung etc. im Schnitt mit 10.000 Euro pro Jahr. Zum Zweiten will man damit bezwecken, dass Wohnbaufördermittel nicht unnötig gebunden sind.

STANDARD: 1000 leerstehende Wohnungen kosten also zehn Millionen Euro im Jahr?

Graf: Ja, wenn die ein ganzes Jahr lang leerstehen schon. Niederösterreich hat da aber jetzt wie erwähnt einen ganz guten Mechanismus. Die öffentliche Hand will sich ja nicht dem Vorwurf aussetzen, dass geförderte Objekte leerstehen und Mittel nicht zweckgemäß eingesetzt werden.

STANDARD: In Wien sind hohe Grundstückspreise das Top-Thema. Bei Ihnen in NÖ auch?

Graf: Ja, und das nicht nur im Speckgürtel um Wien, sondern es wird vermehrt auch übers ganze Bundesland gesehen allmählich ein größeres Problem. Im Tullnerfeld gibt es eine Dramatik, da steigen die Preise jährlich um 10 bis 15 Prozent. Im Waldviertel kriegt man zwar noch Bauland um 17 Euro pro Quadratmeter. Dort hat man aber auch das Problem, dass bei der dort viel geringeren Dichte der Quadratmeterpreis pro Wohnutzfläche auch in die Hunderte gehen kann.

STANDARD: In Wien wird viel über die weiterhin zu strenge Stellplatzverpflichtung gejammert. Werden auch in Niederösterreich zu viele nicht benötigte Stellplätze gebaut?

Graf: Wir haben als Mindestanforderung ein Verhältnis von 1:1, also ein Stellplatz pro Wohnung. Das steht sowohl in der alten als auch in der seit 1. Februar gültigen neuen Bauordnung. Die Gemeinden können aber nach wie vor in ihrem Gebiet per Gemeinderatsbeschluss etwas anderes verordnen. Davon machen viele auch Gebrauch, hauptsächlich in den Städten. Das ist paradox, denn dort sind die öffentlichen Verkehrsmittel besser als am Land. In Krems, wo wir mit der Gedesag rund 100 Wohnungen im Jahr bauen, ist es nach Stadtteilen unterschiedlich. Wir bauen hier im Schnitt 1,5 Stellplätze pro Wohnung. Dazu kommt, dass man im dicht verbauten Gebiet Tiefgaragen machen muss, weil einem wegen der Bebauungsbestimmungen gar nichts anderes übrig bleibt.

STANDARD: Grundsätzlich kämen Sie mit der Landesregelung von 1:1 überall aus? Sind die Auflagen der Gemeinden also kontraproduktiv?

Graf: Das ist richtig, die sind aber oft wohlstandsbegründet. Im Speckgürtel sind meist nicht deshalb zwei Autos da, weil man sie braucht, sondern weil man sie will. Am flachen Land hingegen kommt man ohne Auto schlicht nicht zur Arbeit. Das Problem im Speckgürtel ist aber, dass die Gemeinden mit vielen Zweitwohnsitzern konfrontiert sind und bei der Mittelzuteilung entsprechend weniger bekommen. Außerdem sind die Lebensgewohnheiten eines Zweitwohnsitzers anders als die eines Hauptwohnsitzers. Da gibt's unzählige Interessenkonflikte, die aufeinanderprallen. (Martin Putschögl, DER STANDARD, 14.3.2015)