Der überraschende und überzeugende Wahlsieg von Benjamin Netanjahus Likud-Partei hat Israel eine lähmende Pattsituation zwischen zwei gleich großen und verfeindeten Blöcken erspart. Dieses Szenario hatte sich in den letzten Umfragen vor der Wahl und auch noch in den Exit Polls am Wahlabend abgezeichnet.

Die israelischen Wähler haben aber klar entschieden: Sie unterstützen weiterhin eine Vielzahl von kleinen Parteien mit unterschiedlichen Ausrichtungen und Interessen. Aber als Premier kommt nur ein Mann infrage: Das Stehaufmännchen Netanjahu, das bald Israels am längsten dienender Regierungschef sein wird.

Rechte Rivalen geschwächt

Für all jene, die auf eine Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern hoffen oder gar auf eine Friedenslösung in Nahost, ist das eine schlechte Nachricht. Netanjahu hat die Wahl nicht nur wegen des fehlenden Charismas seines Herausforderers Yitzhak Herzog gewonnen, sondern auch dadurch, dass er im Wahlkampf weiter nach rechts gerückt ist und so seinen Rivalen im nationalen Lager, Naftali Bennet und Avigdor Lieberman, das Wasser abgegraben hat. Der Rechtsblock ist nicht viel größer als zuvor, aber Netanjahu ist nun sein eindeutiger Anführer und muss auch Feinde in der eigenen Partei viel weniger fürchten als zuvor.

Für diesen taktischen Erfolg hat der Premier im Wahlkampf viel Porzellan zerschlagen. Er hat durch seine umstrittene Rede vor dem US-Kongress das Bündnis mit den USA geschwächt, das immer auch auf Unterstützung der Demokraten basierte. Er hat mit seiner Absage an einen Palästinenserstaat die einzige realistische Grundlage für eine Friedenslösung untergraben.

Warnung vor arabischen Wählern

Und mit seiner späten Warnung vor der Flut von arabischen Wählern hat Netanjahu die größte Minderheit des Landes zu Staatsfeinden erklärt. Durch ihre gemeinsame Liste haben Israels Araber heute eine stärkere politische Vertretung denn je. Die Beziehung der Mehrheit zu ihnen könnte für den Zusammenhalt des Landes in Zukunft noch entscheidend sein. Und die ist durch Netanjahus Rhetorik weiter gefährdet.

Aber ob sich Israel wirklich weiter in Richtung nahostpolitischer Blockade und internationaler Isolation bewegt, ist nicht gesagt. Denn Netanjahu ist viel mehr Opportunist und Taktiker als Ideologe. Wenn es ihm passt, dann repariert er die Beziehungen zu US-Präsident Barack Obama, schränkt die Siedlungstätigkeit ein und kehrt an den Verhandlungstisch mit den Palästinensern zurück. Durch seinen Wahlsieg hat er Spielraum gewonnen, die zukünftige Politik selbst zu gestalten und sich nicht von anderen treiben zu lassen.

Netanjahus Koalitionsoptionen

Eine "Regierung der nationalen Einheit" mit der linksliberalen Zionistischen Union, die sich Staatspräsident Reuven Rivlin und viele moderate Wähler wünschen, ist zwar unwahrscheinlich. Aber sollte Netanjahu neben den rechten auch die beiden gemäßigten Parteien Yesh Atid und Kulanu als Koalitionspartner gewinnen, könnte die nächste Regierung flexibler agieren als die letzte.

Denn auch Netanjahu weiß, dass seine einzige Chance, als Staatsmann in die Geschichtsbücher einzugehen, darin liegt, seiner demokratischen und weltoffenen Heimat das Schicksal eines Bunker- und Pariastaats zu ersparen. (Eric Frey, derStandard.at, 18.3.2015)