Das iPhone ist nicht nur Smartphone und umstrittenes Kultobjekt des Apple-Konzerns, sondern aufgrund seines Erfolges seit je her auch "Inspirationsquelle" für diverse Nachahmer. Schon die ersten Generationen des Handys wurden von diversen chinesischen Kleinherstellern geklont. Die meist mäßig verarbeiteten Geräte boten aber meist nur schwache Hardware und proprietäre Betriebssysteme mit geringer Featurevielfalt.

Das hat sich mittlerweile geändert. Anteil daran trägt unter anderem Android, Googles Mobilplattform mit mittlerweile mehr als 80 Prozent Marktanteil. Dass das System im Kern quelloffen ist, erspart auch den "Klonfabriken" viel Entwicklungsarbeit. Der Fortschritt in Know-how und Produktion ermöglicht mittlerweile die Herstellung wesentlich besserer Kopien. Der WebStandard hat das Blackview A6 Ultra, einen Nachbau des iPhone 6, näher angesehen.

Foto: derStandard.at/Pichler

Rund 100 Euro (vor der jüngsten Schwächephase des Euro sogar nur 90 Euro) kostet das Gerät, das über diverse Exporthändler – in diesem Falle Chinavasion – vertrieben wird. Dafür kann sich die Grundausttattung durchaus sehen lassen. Das 4,7 Zoll-Display löst mit 1.280 x 720 Pixel und liegt mit einer Pixeldichte von 312,5 PPI nur minimal unter dem Original (325,6).

Dementsprechend scharf präsentieren sich abgebildete Inhalte. Bei Farbstärke und Kontrast liefert der der Blackview-Bildschirm durchaus akzeptable Ergebnisse und bietet äußerst stabile Blickwinkel. An das Display seines Vorbilds reicht er in ersten beiden Kategorien aber nicht heran. Die maximale Helligkeit könnte höher ausfallen.

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Unter der Haube werkt ein MT5582-Chip von Mediatek, der mit einer vierkernigen Quadcore-CPU (Cortex-A7, 1,3 GHz) aufwartet. Der Arbeitsspeicher ist mit einem GB bemessen, acht GB stehen für Betriebssystem (Android 4.4) und eigene Inhalte bereit, eine Erweiterung ist per microSD um bis zu 32 GB möglich. Mit dabei ist auch Dual-SIM-Support (1x SIM, 1x microSIM), wobei auf beiden Slots die 3G-Verbindung genutzt werden kann. LTE beherrscht das Gerät nicht, andere Standardfeatures (802.11n-WLAN, Bluetooth 4.0) sind dabei.

Auch eine NFC-Implementation mit dem Namen "HotKnot". Diese nutzt das "capacitive coupling" bei der Berührung von zwei Displays kompatibler Geräte und ist mit normaler antennenbasierter NFC-Technologie nicht kompatibel. Die Onboard-GPS-Lösung ist recht träge und für Autonavigation in Stadtgebieten mit höheren Gebäuden nicht brauchbar.

Betrachtet man das Blackview A6 Ultra mit etwas Abstand, ist es kaum vom iPhone 6 zu unterscheiden. Freilich, aus kurzem Abstand oder beim Anfassen wird der Unterschied schnell klar. De Klon misst 139 x 67 x 9 Millimeter und ist damit Etwas höher und merklich dicker als das Original. Dazu ist abseits vom Ring um das Kameramodul und jenem um die Home-Taste auch weit und breit kein Metall im Gehäuse verbaut.

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Die Rückseite ist aus Kunststoff und abnehmbar. Darunter verbergen sich die SIM-Slots, der microSD-Steckplatz sowie ein mit 2.200 mAh ausgewiesener Akku, der bei regelmäßiger Nutzung des Handys einen Arbeitstag übersteht, des Nachts aber definitiv wieder aufgeladen werden muss. Die Verarbeitung des Androiden im Tarngewand ist zwar nicht am Niveau des iPhones oder anderen Highend-Handsets wie dem HTC One, für ein 100-Euro-Gerät aber absolut vertretbar. Datenanschluss und Stromzufuhr erfolgt übrigens über einen microUSB-Port, auch wenn die Aussparung für den Steckplatz so wirkt, als müsste man ein Lightning-Kabel verwenden.

Freilich verfügt das Blackview auch über zwei Kameras. Obwohl händlerseitig eine rückseitige Kamera mit fünf Megapixel angegeben ist, liefert der Sensor "echte" acht Megapixel und bietet eine Interpolationsmöglichkeit auf maximal zehn Megapixel. Mit ihr sind bei gutem Wetter akzeptable Aufnahmen möglich, wobei schon auf mittlere Distanz viele Details geschluckt werden. Mit schlechter werdenden Lichtbedingungen nimmt die Qualität allerdings rapide ab, da die Kamera wenig lichtstark ist.

Ergebnisse unter reinem Kunstlicht sind selbst mit Blitzeinsatz unscharf und verwaschen. Ähnliches gilt für die Frontkamera, deren Schnappschüsse unter Sonnenschein noch passabel ausfallen. Videos können mit 1080p (Rückseite) bzw. 720p aufgenommen werden, die Kamera-App verfügt über übliche Kniffe wie Panorama, Burstmodus oder Hautglättung bei Selfies.

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Für alltäglichen Gebrauch bietet der Nachbau ausreichend Leistung – es sei denn man spielt gerne aufwändige Games. Etwa 18.200 Zähler erreicht es beim Allroundbenchmark Antutu und liegt damit ungefähr am Niveau des Asus-Mittelklässlers Zenfone 5 (2014). Die durchschnittliche Bildwiederholrate von 51 beim "Epic Citadel"-3D-Test kann sich ebenfalls sehen lassen. Beim Vellamo-Browsertest platziert sich das Handy mit 1.640 Punkten unter Chrome auf Höhe des Samsung Galaxy S3. In der Praxis bestätigen sich die Werte. Es handelt sich beileibe nicht um das schnellste, aber in den meisten Fällen recht flottes Smartphone.

Performancetechnisch ist das Blackview dem Apple-Handy wenig überraschend klar unterlegen. Dafür bietet es zwei Features, über die selbiges nicht verfügt und die man sich wiederum vom chinesischen Konkurrenten Oppo und dessen N1-Phablet abgeschaut hat. Das Display lässt sich neben dem Ein-/Aus-Button und dem Home-Button auch per Geste aktivieren.

Mit einem Strich ruft man etwa den Homescreen auf, mit einem "C" die Kamera und ein "e" startet den Standard-Browser. Das funktioniert auch ordentlich, ist aber nur dann von Vorteil, wenn man auf eine Codesperre oder einen ähnlichen Mechanismus verzichtet.

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Zweite Eigenheit ist ein Touch-sensitives Panel (O-Touch) auf der Rückseite. Es kann genutzt werden, um einhändig horizontal oder vertikal durch Menüs und Bildschirme zu scrollen oder Fotos auszulösen. Auch das erweist sich mitunter als praktisch und wäre für das echte iPhone ein überlegenswerter Zusatz, mit dem man insbesondere jener Fraktion entgegen kommen könnte, die den Schritt von 3,5 bzw. vier Zoll auf 4,7 kritisieren.

Softwareseitig bietet das Blackview zwei Oberflächen. Eine entspricht Standard-Android mit leicht angepasstem Launcher. Diese ist beim erstmaligen Start auch vorkonfiguriert. Dass es eine Home-Taste gibt, führt zu dem etwas verwirrenden Umstand, dass das Navigationsmenü am unteren Bildschirmrand eine Optionstaste und einen Rückbutton zeigt, aber keinen Shortcut zum Startscreen.

Im Einstellungsmenü lässt sich auch auf ein Interface umschalten, das iOS 8 nachahmt. Hier findet man die entsprechende Optik des Apple-Mobilbetriebssystems wieder und auch die Bedienlogik (inklusive fehlendem App-Drawer) entspricht dem Vorbild. Dazu sind auch das Konfigurationssmenü, die Benachrichtigungsleiste und einige Apps wie der Kontaktmanager angepasst. Weil es sich nicht um einen schlichten Austausch des Launchers handelt, ist zum Wechsel zwischen beiden Oberflächen ein Neustart erforderlich.

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Mit realem iOS hat diese Adaption freilich nur in ästhetischer Hinsicht etwas zu tun. Auch im Apple-Look handelt es sich um ein Android-System mit Android-Apps, die von Google Play und nicht von iTunes bezogen werden. Das alternative Interface kann auf diesem Wege aber einem Umsteiger dabei helfen, sich in die Android-Welt vorzutasten.

Ein kleiner Hinweis darf zum Thema Update nicht fehlen: Blackview liefert tatsächlich Over-the-Air-Updates für das Gerät aus, was bei kleineren chinesischen Herstellern Seltensheitwert hat. Ob jemals Android 5.0 oder 5.1 für das Gerät erscheint, hängt stark vom Support durch Mediatek ab. Da der MT6582 nicht mehr die allerneuste Plattform ist, ist von einem Versionssprung allerdings nicht auszugehen.

Bei den Mobilfunk-Basics hat Blackview beim A6 Ultra solide Arbeit geleistet. Sprachqualität und Empfangsstärke sind durchschnittlich. Unerwartet positiv überrascht der auf der Unterseite angebrachte Lautsprecher, der auch bei höherer Lautstärke für Smartphone-Verhältnisse sauber klingt. Auch die Ausgabe über Kopfhörer gibt keinen Grund zur Beanstandung.

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Fazit

In Summe ist das Blackview A6 Ultra ein ordentliches Smartphone der unteren Mittelklasse, das trotz mancher Abstriche aufgrund seines Preises (der unter Berücksichtigung von Zollgebühren letztlich bei 120 – 130 Euro liegt) zu überzeugen weiß. Einzig schwerer wiegender Wermutstropfen ist auch in diesem Kostenbereich die mangelhafte GPS-Lösung.

Konzeptuell ist das Telefon ein Rätsel. Offenbar ist es dem Hersteller nie darum gegangen, eine äußerlich besonders authentische Kopie zu bauen – wie es etwa das berühmt-berüchtigte Unternehmen GooPhone mittlerweile beherrscht. Gleichzeitig hebt man sich mit einem für die Preisklasse sehr guten Display, Gesten zum Display-Einschalten sowie dem Touchpanel aus der Masse anderer Klone ab.

Das bedeutet, dass alleine der iPhone-Look, selbst wenn er nicht übermäßig authentisch ist, ein am chinesischen Markt sehr starkes Verkaufsargument sein muss. Denn das A6 Ultra wäre auch ganz ohne Anlehnung an Apples mobiles Flaggschiff einen zweiten Blick wert.

Testfotos

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Tageslicht, Automatik
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Tageslicht, HDR
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Kunstlicht, Automatik mit Blitz (obligatorisches Katzenfoto)
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Frontkamera, Tageslicht, inkl. autom. Hautglättung
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