Den einen mag es empören, den anderen belustigen. Für Unterhaltung ist jedenfalls immer gesorgt, wenn sich Berlin und Athen matchen. Namentlich der griechische Finanzminister Yiannis Varoufakis weiß, wie man polarisiert. Mit oder ohne Stinkefinger. Die angebliche Geste des hellenischen Ökonomie-Popstars steht stellvertretend für den schlechten Umgang miteinander. Es geht zu wie im Kindergarten. Keiner will sein Spielzeug hergeben. Nimmt sich der eine einfach, was er haben möchte, geht der andere petzen. Mit dem Unterschied, dass sich Beschwerden nicht an die Kindergartentante, sondern an die Medien richten, die das Tohuwabohu genüsslich aus- und verbreiten.

Das Problem ist nur, dass die Sandkastenspiele gleichsam in der weltpolitischen Arena stattfinden. Die griechische und deutsche Öffentlichkeit feuert jeweils ihren Rädelsführer an, unter anderen Nationen ist die Lagerbildung voll im Gange. Wolfgang Schäuble lässt sich zwar zu keinen Flegeleien hinreißen, sein strenger ordnungspolitischer Sinn hilft in der Sache aber nicht gerade. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem gibt den Scharfmacher, rügt "verbale Gewalt" Athens, obwohl er bisher selbst viele ölige Worte ins Feuer gegossen hat. Varoufakis wiederum reizt seine Widersacher bis aufs Blut, wenn er Logorrhoe anstelle von Fakten treten lässt. Mit dem Rücken an der Wand leere Phrasen zu dreschen kommt in Brüssel auf Dauer gar nicht gut an.

Nur, was benötigt ein missratenes Kind? Ausgrenzung und Drohung oder Zuwendung und Aufmerksamkeit? Vertreter der neuen griechischen Regierung haben einen verdammt schweren Stand. Aus der sozioökonomischen Misere redet es sich leicht in eine bessere Zukunft. Es kann ja niemanden überraschen, dass die Bevölkerung nach sechsjähriger tiefer Rezession den politischen Kurswechsel herbeigesehnt und gewählt hat. Bei aller Kritik an Syriza, ihren demagogischen Vertretern und ihren leeren Versprechungen: Den notwendigen Respekt vor dieser demokratisch legitimierten Wende hat Brüssel Athen nie gezollt. Auf den neuen griechischen Willen einzugehen hätte ja bedeutet: Spielzeug herzugeben.

Nun muss ein Fehlstart noch keine Niederlage bedeuten, aber nach Aufholprozess sieht es derzeit nicht aus. Lieber wird mit dem Finger auf den anderen gezeigt. Griechenland scheut nicht davor zurück, den verfahrenen Karren mit Forderungen nach Reparationszahlungen für Kriegsschäden und -verbrechen zu beschweren. Die Beschädigung des Gegners wird zum obersten Gebot.

Weniger infantiles Verhalten ließe Fehler der Vergangenheit bis zur Einigung beiseite, um die Lösung der Probleme nicht zu gefährden. Chauvinistisches Gehabe mag die sensationslüsterne Meute befriedigen, ein Weiterkommen verhindert es hingegen. Zurück zu den Inhalten, und das in gegenseitiger Anerkennung - so lautet der dringende Appell.

Besserung setzt freilich Einsicht voraus: jene der Eurogruppe, dass sie lieber gleich auf Geld verzichtet, das ohnehin nicht mehr zurückbezahlt werden kann; zudem die Erkenntnis, dass ein souveräner Staat nicht unter Kuratel gestellt werden kann, selbst wenn er faktisch pleite ist. Athen wiederum muss einsehen, dass bisher nur Vertrauen zerstört wurde. Und dass sich ein Bankomat nicht von allein füllt. Die Trotzphase in Europa hat schon zu lange gedauert. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 18.3.2015)