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Das Antiterror-Gesetz "Bill C-51" bringt in Kanada viele Menschen auf die Straße, die um ihre Persönlichkeitsrechte fürchten.

Foto: AP / Darren Calabrese

Kanadas Premier Stephen Harper, der gegen viel Widerstand ein schärferes Gesetz gegen Terrorismus durchboxen will, kommt ein wichtiger Prozess in Toronto gerade gelegen: Zwei Muslime, die vor drei Jahren ein Attentat auf einen Personzug planten, stehen derzeit vor Gericht. Als Harper den umstrittenen Gesetzesentwurf vorstellte, warnte er die Bevölkerung, solche Terroristen zielten auf Kanadier im eigenen Land: "Sie wollen uns Schaden zufügen, weil sie unsere Gesellschaft und die Werte, für die sie steht, hassen."

Mit dem neuen Gesetz will sich Harper als starker Mann vor den Wahlen im Herbst präsentieren. So weit hat sich die Angstkampagne für ihn ausgezahlt. Dennoch sehen viele Kanadier in den geplanten Änderungen einen Angriff auf ihre Meinungsfreiheit und Privatsphäre.

Informationsaustausch

Mit dem neuen Gesetz, das derzeit die parlamentarischen Stationen durchläuft, würde der Geheimdienst mehr und weiter reichende Befugnisse erhalten. Das Gesetz stellt den Aufruf zu Terrorismus, etwa im Internet, unter Strafe und ermöglicht es der Polizei unter gewissen Umständen, Leute vorbeugend zu verhaften.

Strafverfolger, Geheimdienst und Regierungsstellen könnten künftig auch leichter Personeninformationen austauschen und Warnungen aussprechen. Neben dem Terrorismus würde sich das Gesetz auch auf Aktivitäten beziehen, die die "wirtschaftliche Stabilität Kanadas" oder "wichtige Infrastruktur" gefährdeten.

Die oppositionelle sozialdemokratische NDP bekämpft das Gesetz vehement. Sie kritisiert, dass etwa auch Umweltschützer oder indianische Demonstranten unter dem neuen Gesetz verhaftet werden könnten. Rund 120 Rechtsprofessoren aus ganz Kanada nannten das neue Gesetz "gefährlich" für Kanadas Demokratie. In einem offenen Brief forderten sie die Abgeordneten auf, gegen den Gesetzesvorschlag zu stimmen. Sogar der Datenschutzbeauftragte der Regierung sprach sich gegen den Gesetzesentwurf aus.

Der Vorsitzende der liberalen Partei, Justin Trudeau, warf Harpers Regierung vor, sie sorge für ein Klima der Angst. Die Liberalen unterstützen zwar das Gesetz im Grundsatz, wollen strittige Punkte aber gleich ändern, falls sie die Wahlen Ende Oktober gewinnen. Vor allem aber wollen sie jetzt schon einen eigenen Parlamentsausschuss, der die Anwendung des Gesetzes überwachen würde. Das lehnt Harper jedoch ab. Derzeit gibt es keine derartige Kontrolle des Geheimdienstes.

Harper konzentriert sich vor den Wahlen ganz auf die Terrorismusbekämpfung und auf Recht und Ordnung. Dabei hat der Ölpreisverfall die Staatsfinanzen massiv verschlechtert, sodass er damit nicht brillieren kann. Aber die Ermordung zweier kanadischer Soldaten in Ottawa und in Quebec durch muslimische Täter im vergangenen Oktober hatte die Öffentlichkeit aufgewühlt.

In einer Meinungsumfrage stellten sich zuletzt 82 Prozent der befragten Kanadier im Grundsatz hinter das geplante Gesetz. Aber 69 Prozent verlangten auch, dass man die Strafverfolger wegen möglichen Missbrauchs ihrer Macht besser überwachen müsse.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Das verlangen auch vier frühere Premierminister: Sie warnten, dass "schlimmer Menschenrechtsmissbrauch" im Namen der nationalen Sicherheit vorkommen könnte. Harper will jedoch nichts am geplanten Gesetz ändern. Denn mit seinem harten Kurs kann er politisch punkten. Während er früher in Erhebungen deutlich hinter seinen Gegenspieler Trudeau zurückfiel, liegen die beiden nun in Umfragen Kopf an Kopf. (Bernadette Calonego aus Vancouver, DER STANDARD, 18.3.2015)