Verdeckte Ermittler bei Demonstrationen hat Daniel Garcia Andújar für seine Serie "Indignados" (2012-2014) fotografiert.

Foto: Andrew Phelps, Salzburger Kunstverein

Salzburg - Gewalt verschiedenster Ausprägungen gehört zum Leben, und kommt nicht immer als offensichtliche Grausamkeit daher. Verborgene Aspekte struktureller Gewalt thematisiert die Schau Invisible Violence im Salzburger Kunstverein, kuratiert von Zoran Eric, Séamus Kealy und Blanca de la Torre. Zu diesen unsichtbaren Formen gehören visuelle Repräsentation, Sprache oder Steuerungsmechanismen der modernen Kontrollgesellschaft.

Das beginnt schon beim Betreten des Ausstellungsraums: Eva Grubingers Installation Crowd, zwingt den Besucher, einem vorgegebenen Weg zu folgen, besteht sie doch aus Absperrungen, wie sie von Flughäfen, Großveranstaltungen oder Post- und Bankfilialen bekannt sind. Die Lenkung der Massen als (un)bewusstes Kalkül der Mächtigen, ein Mittel zur Internalisierung gesellschaftlicher Verhaltensweisen und Normen. Und auf der Metaebene auch eine Selbstreflexion über die Funktion von Museen.

Das Grundkonzept der Schau, die 22 Künstlerpositionen versammelt, bezog sich auf die Regionen Baskenland, (Nord-)Irland und Serbien/Ex-Jugoslawien, also - ehemalige? - Konflikt- und Kriegszonen. "Krieg" führt die EU gegen Immigranten, die aus unterschiedlichen Gründen die Festung Europa erreichen wollen. Viele kommen nie an: Das südliche Mittelmeer ist inzwischen ein Massengrab geworden; oft kentern die wenig hochseetauglichen Boote der Flüchtenden. Maria Ruido zeigt in ihrem Video The Dream Is Over Bilder der stürmischen See, so wie sie auf Bootsflüchtlings wirken muss.

Ob fehlende, von Bürokratie und Ignoranz verdeckte Menschlichkeit einfach repariert werden kann, ist fraglich. Kader Attia hat in Repair Analysis zerbrochene Spiegel mit Kupferdraht zusammengenäht; das eigene Abbild wird so zur zerfurchten Narbe.

Poesie oder Dokumentation

Wenig bekannte Hintergründe des Nordirlandkonfliktes beleuchtet das dokumentarische Video Group Portrait With Explosives. Declan Clarke erklärt darin, die Zusammenhänge zwischen Industrie und Landwirtschaft, zwischen Waffen-, Traktoren- und Semtex-Sprengstofffabriken im tschechischen Brno und der IRA-Hochburg South Armagh. Kontrapunktisch zu den meisten anderen Arbeiten wirkt Willie Dohertys Video Ancient Ground: ruhige poetische Landschaftsbilder, die die Spuren menschlichen Traumas nur andeuten.

Die Staatsmacht hat viele Gesichter. Bisweilen auch das des politischen Aktivisten, der für Emanzipation und Humanität kämpft. Wenn Daniel García Andújar in Indignados verdeckte Ermittler der Polizei fotografiert, die sich unter Demonstranten mischten, gilt mit Ernst Jandl: Lechts und rinks kann man nicht velwechsern. Kontrolle und Manipulation als Formen einer Zivilisierung von extremer Gewalt? Oder doch nur als effiziente Optimierungsstrategie? In drei Vorträgen wird heute, Mittwoch, auch dies zur Sprache kommen: Philosoph Étienne Balibar geht davon aus, dass es keine Politik ohne Gewalt gibt, zugleich plädiert er aber für eine genaue Trennung unterschiedlicher Formen. Theoretikerin und Kuratorin Suzana Milevska untersucht sichtbare und unsichtbare Gewalt in Denkmälern, Keti Chukhrov den dialektischen Konnex zwischen Kultur und Gewalt. (Gerhard Dorfi, DER STANDARD, 18.3.2015)