Sprachen über "Citizen Science": Marie Céline Loibl, Gert Wagner, Lucia Malfent, Philipp Kornfeind, Reinhard Willfort (von oben).

Fotos: Wagner/just-smile-pics

Wien – Jeder Hobbygärtner weiß, was junge Pflänzchen brauchen, um sich zu entwickeln. Falls nicht, ist guter Rat rasch gefunden. Ganz so einfach haben es jene, die an einer Partnerschaft zwischen Forschung und Bürgern arbeiten, nicht. Beim Science Talk "Zukunftspartnerschaft: Forschung – Bürger/innen. Neue Wege der Zusammenarbeit auf Augenhöhe", einer Veranstaltung des Wissenschaftsministeriums, fiel mehrmals der Vergleich mit einer zarten Pflanze. Die Veranstaltung fand am Montagabend in der Wiener Aula der Akademie der Wissenschaften statt.

In gewisser Weise leisten alle Beteiligten, ob als Institution, Forscher oder Bürger, derzeit oft Pionierarbeit. Das Ziel ist ambitioniert: Wie lassen sich alle Kräfte mobilisieren und bündeln, um Forschungsprozesse gemeinsam zu gestalten? "Citizen Science" spannt einen weiten Bogen von der Datensammlung, wie der Zählung von Tierarten, bis zur Formulierung von Forschungsfragen.

Hier setzt "Reden Sie mit!" an, ein Projekt im Rahmen der Initiative "Open Innovation in Science" der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft. Dafür verantwortlich ist Lucia Malfent, die beim Science Talk sprach. Dem Projekt liegt der Wunsch nach besserer und bedarfsnaher Erforschung von psychischen Erkrankungen zugrunde, sagte Malfent.

Am 16. April startet die Plattform www.redensiemit.org, wo Erkrankte, Angehörige, Fachleute oder Interessierte vorschlagen können, mit welchen ungelösten Fragen sich die Forschung beschäftigen soll. Mit dieser Öffnung des Systems gegenüber Erfahrungswissen erhofft sich die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft einen Erkenntnisgewinn.

Bürgernähe zulassen

Sich auf so viel Bürgernähe einzulassen erfordert jedoch Lernbereitschaft. Dass aufseiten der Forschenden großer Bedarf nach geeigneten Methoden besteht, weiß Malfent aus zahlreichen Gesprächen. Die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft geht deshalb einen Schritt weiter, indem sie Wissenschafter für "Open Innovation"-Prozesse ausbilden will.

Eine weitere wichtige Voraussetzung für die produktive Zusammenarbeit ist für Marie Céline Loibl, Projektleiterin von "Sparkling Science" des Wissenschaftsministeriums, dass sich die Forschungsfrage dafür eignet.

Und was haben die Bürger von der Beteiligung? Diese Frage wurde beim Science Talk kontrovers diskutiert. Der Sporttechnologe Philipp Kornfeind von der Uni Wien meinte, dass die Zusammenarbeit von Forschern und Schülern wie bei Sparkling Science bei Letzteren zur nachhaltigen Verankerung der Erfahrungen führt.

Umgekehrt sagte der Innovationsforscher Reinhard Willfort von Innovation Service Network, dass es mitunter lange dauern kann, bis sich die akademische Seite öffnet. Gemeinsam mit Ö1 und der Uniko initiierte er das Projekt "Ö1-Hörsaal". Anfangs war die Begeisterung seitens der Unis verhalten, doch nun werden dreizehn Gewinnerideen umgesetzt.

Zwar sind in Europa im Unterschied zu den USA viele Formate eher Top-down-Prozesse – ein Kritikpunkt beim Science Talk -, doch die haben für Loibl genauso ihre Berechtigung.

Gert Wagner, Vorstand des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, ergänzte, dass die Beteiligung von Bürgern auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften gewinnbringend ist. Und die Philosophie? Gerade mit Blick auf neue Technologien von Nano bis Robotik steckt in philosophischen Fragen viel Potenzial, um zu zielgerichteten Innovationen zum Wohle von Mensch und Umwelt zu gelangen.

Fazit? Der Elfenbeinturm bröckelt und schafft Platz für eine "Pflanze" im Wachstum, die Partnerschaft zwischen Forschern und Bürgern. (krak, DER STANDARD, 18.3.2015)