Potsdam - Auch wenn es verblüffen mag: Steigende Temperaturen werden der Antarktis mehr Schnee bringen. Jedes Grad Celsius Erwärmung könnte den Schneefall um etwa fünf Prozent zunehmen lassen, wie ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung in "Nature Climate Change" berichtet.

Die Ergebnisse könnten ein wichtiges neues Puzzelstück bei der Abschätzung des Beitrags der Antarktis zum künftigen Meeresspiegelanstieg liefern. Mehr Schnee werde die Antarktis jedoch nicht vor dem Verlust von Masse bewahren, denn ein Großteil des zusätzlichen Eises wird durch sein eigenes Gewicht schneller in Richtung Küste transportiert. "Wärmere Luft enthält mehr Feuchtigkeit, und das kann zu mehr Niederschlag führen - in der kalten Antarktis geschieht das in Form von Schnee", erklärt die Leitautorin Katja Frieler.

Steigender Meeresspiegel

Sowohl Daten aus Eisbohrkernen als auch Computersimulationen würden in die gleiche Richtung deuten: Mit jedem Grad Erwärmung gäbe es in der Antarktis etwa fünf Prozent mehr Schnee. In diesem Zusammenhang weisen die Forscher auf ein "doppeltes Paradoxon" hin: Die Erwärmung würde demnach zu mehr Schneefall führen, mehr Schneefall wiederum zu mehr Eisverlust.

"Der sich auftürmende Schnee ist schwer und übt entsprechend viel Druck auf das darunter liegende Eis aus", erklärt Ko-Autorin Ricarda Winkelmann. "Je höher Eis und Schnee sich auftürmen, desto höher ist auch der Druck." Weil zusätzlicher Schnee das auf dem Boden der Antarktis aufliegende Eis stärker erhöht als die schwimmenden Eisschelfe am Rande des Kontinents, fließe das Eis schneller in Richtung Küste - und trage dadurch zum Anstieg des Meeresspiegels bei.

Warmer Zustrom unter ostantarktischen Gletscher

Dass die Antarktis für den künftigen Meeresspiegel eine Schlüsselrolle spielen wird, bestätigt indes auch eine zweite aktuelle Studie im Fachblatt "Nature Geoscience": Forscher um Jamie Greenbaum von der University of Texas berichten darin von der Entdeckung zweier unterirdischer Kanäle, über die warmes Wasser unter den ostantarktischen Totten-Gletscher dringt und massiven Eisverlust verursachen könnte. Bisher hatte man vermutet, dass der Eisschelf dieses gigantischen Gletschers durch seine geschützte Lage relativ stabil sei.

Mithilfe zahlreicher Messungen und Datenanalysen entdeckten die Forscher nun die über 600 Meter tiefen Kanäle, über die wesentlich wärmeres Wasser zuströmt. "Es ist nur ein Gletscher, aber der verändert sich bereits - mit erheblichen Folgen für den Meeresspiegel", sagte Koautor Martin Siegert. Mit einer Länge von 65 Kilometern und einer Breite von 30 Kilometern umfasse der Totten-Gletscher theoretisch genug Eis, um einen Meeresspiegelanstieg von 3,5 Metern zu verursachen. (red, derStandard.at, 22.3.2015)