Österreich darf Asylwerber, die in ihrem Herkunftsland Todesstrafe, Folter oder anderen schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind, nicht abschieben – und zwar auch dann nicht, wenn ihr Asylverfahren abgelehnt wurde, weil sie nicht in den strengen Raster der Genfer Flüchtlingskonvention passen. Rund 15.000 Menschen in Österreich tragen derzeit eine graue Karte bei sich, die ihnen bescheinigt, dass sie diesen Status der "subsidiär Schutzberechtigten" haben.

Die Plastikkarte gibt den Betroffenen Zugang zum Arbeitsmarkt und zu gewissen Sozialleistungen, sperrt sie aber gleichzeitig aus: Da der Status nur für ein Jahr vergeben wird und danach alle zwei Jahre verlängert werden muss, scheuen Arbeitgeber und Vermieter davor zurück, sich mit den Betroffenen auf Verträge einzulassen.

Die Folge: Viele leben zwar viele Jahre im Land, werden aber trotzdem so behandelt, als ob sie das folgende Jahr wieder ihre Koffer packen würden, wie eine vom UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) in Österreich erstellte Studie besagt.

Ungleich behandelt

"Diese Menschen haben das gleiche Schicksal wie Flüchtlinge: Auch sie sind vor Menschenrechtsverletzungen geflohen. Sie werden aber unterschiedlich behandelt", sagt Christoph Pinter, Büroleiter von UNHCR Österreich.

Hossein Z. ist einer von ihnen. Der 24-Jährige kam vor sechs Jahren aus Afghanistan nach Österreich, und wenn er erzählt, dass er hier den Hauptschulabschluss nachgemacht und erfolgreich Wohnung und Lehrstelle gesucht hat, beeilt er sich zu betonen, dass "ich eine Ausnahme bin".

Er sei eben besonders hartnäckig gewesen, habe sich nicht entmutigen lassen und mit viel Glück die richtigen Menschen getroffen. Bei vielen seiner afghanischen Freunde sei das anders: Bewerbungen für Jobs und Lehrstellen würden laufend abgelehnt, Geschäfte verweigern den Handyvertrag, Fahrschulen den Führerscheinkurs, Banken geben kein Sparbuch her, weil sie sich von dem Enddatum auf der grauen Karte abschrecken lassen – auch dann, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass der Schutz aberkannt wird, sehr gering ist, weil sich die Lage im Herkunftsland noch für einige Zeit nicht bessern wird.

"Einige werden depressiv"

"Einige werden davon depressiv", sagt Z. . Andere würden jahrelang in versteckter Obdachlosigkeit leben, also in überfüllten, teils verschimmelten Wohnungen von Bekannten unterkommen, weil sie mangels Jobs keine Wohnungskautionen bezahlen können, sagt Pinter.

UNHCR Österreich spricht sich deshalb für ein Ende der Befristung aus. "Unbefristeter Schutz heißt nicht, dass die Betroffenen ewig hierbleiben", sagt Pinter – eine Aberkennung sei immer noch möglich, falls sich die Lage im Herkunftsland "nachhaltig bessert". Man nehme also in Kauf, dass Menschen vereinzelt wieder das Land verlassen müssen, erlaube aber allen anderen, die ohnehin dableiben werden, nach Jahren des Wartens hier Fuß zu fassen.

Der Staat behandelt nicht nur subsidiär Schutzberechtigte, sondern auch deren Kinder schlechter als jene von Asylberechtigten: Sie erhalten nur dann Familienbeihilfe und Kindergeld, wenn sie erstens einen Job haben und zweitens nicht in Krankenstand, Karenz oder Mutterschutz sind – angesichts der Tatsache, dass Kindergeld für die Phase nach der Geburt vergeben wird, "ein Absurdum", sagt Pinter.

Auch für Kinder von Schutzberechtigten, die noch im Herkunftsland auf ihre Ausreise warten, ist die graue Karte ein Nachteil: Sie dürfen erst ein Jahr nach Ende des Asylverfahrens nachziehen. Asylberechtigte dürfen ihren Nachwuchs ins Land holen, sobald sie den Flüchtlingsstatus erlangt haben. Auch diese Diskriminierungen sollten im Zuge der aktuellen Asylnovelle beseitigt werden, fordert Pinter.

Die meisten subsidiär Schutzberechtigten kommen wie Hossein Z. aus Afghanistan, gefolgt von Schutzsuchenden aus der Russischen Föderation. Im Jahr 2013 erhielten erstinstanzlich 721 Afghanen subsidiären Schutz, im Vergleich dazu bekamen 1.259 Asyl.

Z. hatte zwar Glück, eine Lehrstelle als Verkäufer in der Telekombranche zu finden, Zukunftsträume zu schmieden, traut er sich dennoch nicht: Seine graue Karte läuft im April 2016 aus. (Maria Sterkl, derStandard.at, 17.3.2015)