Wien - Sachgerecht animierte Dirigent Zubin Mehta nach Ende des Adagios (Anton Bruckners 9. Symphonie) zum Innehalten, zu einem Moment der Stille. Nach diesem Labyrinth der Melancholie, dem kein 4. Satz folgen kann (nicht auffindbar), wirkte die kurze Andacht im Wiener Musikverein wie ein passender Konzertschluss. Es hätte jedoch ein womöglich noch interessanteres Ende geben können.

Beim Philharmonischen war ja vor der Pause vergleichsweise ungewohnt Modernes passiert: György Ligetis - aus mikroskopischer Kontrapunktik gewobener - Klangflächenkosmos Atmosphères huschte vor Josef Marx' elegant ausgebreiteter Alt-Wiener Serenaden etwas beiläufig vorbei. Angesichts dieser kühn-bunten Programmkombination schien - bezogen auf die Werkreihenfolge - damit letztlich eine Chance vergeben worden zu sein.

Wiegenliedhaft am Ende

Warum eigentlich nicht im Anschluss an Bruckners 9. Symphonie experimentfreudig Ligetis Atmosphères aufführen? Das hätte jedenfalls einen reizvollen, "atmosphärisch" passenden Nachklang zu Bruckner ergeben, der in der opulenten Version von Zubin Mehta ohnedies vor allem durch üppige Klanglichkeit punktete. Die Nähe von später Romantik und klassischer Moderne hätte Charme gehabt.

Bis zum wiegenliedhaften Ende der Neunten war jedenfalls im ersten Satz so etwas wie die Errichtung einer imposanten Bruckner-Kathedrale zu erlauschen. Recht mächtig klang das (bei breiten Tempi) und vernebelte ein paar Details - jeder Interpretationsansatz hat eben nicht nur seinen Reiz, vielmehr auch seinen Preis.

Allerdings gab es da in Summe reichlich zu genießen: Der satte, volle philharmonische Sound, das Süße der Streicher und das zumeist Saubere des Blechs fügte sich zu einem Bild symphonischer Energie, die kurzweilig durch den Nachmittag trug. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 17.3.2015)