Graz/Wien - Im Rahmen des EU-Programms "Horizon2020" werden in der Förderschiene FET Open (Future and Emerging Technologies) unkonventionelle neue Forschungsideen unterstützt, die auf fundamentale Durchbrüche abzielen. In der aktuellen Antragsrunde wurden von 639 begutachteten Vorhaben 24 zur Förderung ausgewählt. Zwei der erfolgreichen Projekte werden von den Technischen Universitäten Wien und Graz koordiniert, an weiteren fünf sind österreichische Einrichtungen beteiligt.

Was die Förderpreise des Europäischen Forschungsrats ERC für Einzelforscher sind, soll FET Open für Forschungskonsortien sein: eine wissenschaftliche Exzellenzförderschiene. Dabei ist das Programm noch deutlich selektiver als der ERC, die Erfolgsquote in der aktuellen Runde mit einem Volumen von 78 Mio. Euro lag bei nur 3,7 Prozent. Das thematisch offene Programm richtet sich an Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, wobei mindestens drei Partner aus drei EU-Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten müssen.

Kontrastmittel-Revolution

Die TU Graz leitet das auf drei Jahre angelegte Projekt "CONQUER". Mit der Förderung im Umfang von 2,5 Mio. Euro wollen die Wissenschafter dabei ein völlig neues Konzept für Kontrastmittel im Bereich Magnetresonanztomographie (MRT) verfolgen. Ein Team um Hermann Scharfetter vom Institut für Medizintechnik der TU Graz will unter Beteiligung von Wissenschaftern der Medizin-Uni Graz sowie aus Polen, Schweden und Slowenien mithilfe eines quantenmechanischen Effekts namens Quadrupolrelaxation "smarte" Kontrastmittel entwickeln.

Damit ließe sich nicht nur die Anatomie, sondern auch die Funktionen von Gewebe und Organen bis auf die molekulare Ebene abbilden. "Denkbar ist etwa das gezielte Ein- und Ausschalten von Kontrasten im untersuchtem Gewebe, die Sensitivität auf den pH-Wert und andere Biomarker", so Scharfetter in einer Aussendung der Uni.

Genaueste Uhr der Welt

Das von der TU Wien geleitete Projekt "nuClock" hat die Entwicklung einer sogenannten Thoriumkern-Uhr zum Ziel, deren Genauigkeit alle bisherigen Messmethoden in den Schatten stellen soll. Das auf vier Jahre angelegte Projekt, an dem Wissenschafter aus Deutschland und Finnland sowie mehrere Unternehmen beteiligt sind, erhält vier Mio. Euro.

Während man in Atomuhren bisher die Übergänge in der Elektronenhülle des Atoms für präzise Zeitmessung nutzt, wollen die Wissenschafter künftig den Atomkern selbst dafür heranziehen. Damit könnte man sehr kompakte Atom-Uhren mit viel weniger Anfälligkeit für Störungen von außen bauen.

Der aussichtsreichste Kandidat dafür ist Thorium-229, ein Isotop des Elements Thorium, das nur künstlich hergestellt werden kann. Um die Atomkerne für Messungen nutzen zu können, müssen sie extrem präzise mit der richtigen Lichtfrequenz bestrahlt werden. Diese Frequenz zu finden, sei die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen, so Thorsten Schumm vom Atominstitut der TU in einer Aussendung der Uni. Jede mögliche Frequenz auszuprobieren würde unüberschaubar lange dauern, daher arbeitet das Team an verschiedenen Möglichkeiten, der exakten Thoriumkern-Frequenz auf die Spur zu kommen. (APA/red, derStandard.at, 16.3.2015)