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Twitter steht beim türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan nicht hoch im Kurs.

Foto: EPA/Karl-Josef Hildenbrand

Ankara/Athen – Der US-Kurznachrichtendienst Twitter sucht dieser Tage wieder einen Türkei-Juristen für seine Europafiliale in Dublin. Kein Wunder, denn die türkischen Behörden überziehen den Onlinedienst aktuell mit einer Welle von Gerichtsurteilen und Aufforderungen zu Kontenschließungen. 477 waren es laut Twitter in der zweiten Hälfte 2014: 150 Prozent mehr als in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres.

1820 "Tweets" hat das Unternehmen zwischen Juli und Dezember 2014 in der Türkei gelöscht. Twitter hat rund elf Millionen Nutzer in der Türkei und macht dort um die 35 Millionen Dollar Umsatz mit Werbung.

Vorwurf der Präsidentenbeleidigung

Staatschef Tayyip Erdogan lässt seit seiner Wahl im Sommer 2014 Twitterschreiber wegen Präsidentenbeleidigung strafrechtlich verfolgen. Erstmals hat die Polizei nun aber Twitterschreiber auch festgenommen. Zwei Frauen und ein Mann mussten sich Medienberichten zufolge auf Anordnung der Istanbuler Staatsanwaltschaft erklären; sie kamen am Samstag wieder frei und warten nun auf ein juristisches Verfahren.

Neben Beleidigung von Amtsträgern wird den drei offenbar vorgeworfen, mit einem Twitterschreiber in Verbindung zu stehen, der unter dem Pseudonym Fuat Avni Interna aus Regierungs- und Justizkreisen an die Öffentlichkeit bringt. Dabei geht es um die mittlerweile niedergeschlagenen Korruptionsermittlungen gegen Ex-Minister und Geschäftsmänner im Umfeld der Regierung. Fuat Avni hat aber auch vorzeitig Verhaftungswellen gegen Journalisten und Beamte enthüllt – und damit zum Teil vereitelt.

Spezialabteilung der Polizei

Eine der nun Festgenommenen ist eine Hausfrau aus der Provinz Fethiye. Sie wurde vergangene Woche gleich zweimal von der Polizei zum Verhör abgeholt.

Die konservativ-islamische Regierung hat mittlerweile eine Polizeiabteilung geschaffen, die auf die Überwachung und Identifizierung von Twitterschreibern spezialisiert ist. Die EU-Kommission sowie auch Erweiterungskommissar Johannes Hahn haben sich bisher nicht zu der Festnahme der Twitterschreiber geäußert.

In der zentralanatolischen Stadt Konya begann am 6. März ein Prozess gegen einen minderjährigen Schüler wegen Präsidentenbeleidigung. In der Stadt Kayseri verhaftete die Polizei einen Studenten, der bereits zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, weil er Erdogan einen Diktator genannt hatte. (Markus Bernath, DER STANDARD, 16.3.2015)