Die Peripherie kleiner Gemeinden wird zunehmend zum Spielfeld gesichtsloser Handelsagglomerationen.

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Wien – Einen Schönheitspreis haben die wenigsten gewonnen. Wie riesige bunte Schachteln scheinen sie willkürlich an die Ortsränder geworfen. Ihre Parkplätze fressen sich in die grünen Wiesen, und ihre Mieter ähneln sich quer durchs Land wie ein Ei dem anderen.

Die Peripherie kleiner Gemeinden wird zunehmend zum Spielfeld gesichtsloser Handelsagglomerationen. Mehr als fünf Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche werden in Österreich mittlerweile von Fachmärkten besetzt. Das ist doppelt so viel wie vor 15 Jahren.

Nur 17 Prozent davon wurden koordiniert geplant. Die restlichen Flächen sind mehr oder weniger wild gewachsen. Ihre Standorte stehen oft nur in losem Verbund in Sichtweite zueinander. Es fehlt an gemeinsamer Vermarktung; meist gibt es weder eine einheitliche Dachmarke noch die gleichen Eigentümer. Ab und zu werden ein paar Filialen dazugestoppelt, echte Synergien bringt das selten. Bei Raumplanern sind die Fachmarktzonen aufgrund der massiven Zersiedelung verpönt.

Verlagerung von Kundenfrequenz

Hannes Lindner sieht darin eine "in Beton gegossene" Verlagerung von Kundenfrequenz aus den Innenstädten heraus an die Peripherie, "die nur noch schwer zu revidieren ist". Lindner berät Händler in Standortfragen, mit seiner Gesellschaft Standort+Markt durchleuchtet er regelmäßig Österreichs Einzelhandelslandschaft.

Auf einen Einwohner kommen bereits 0,60 Quadratmeter an Verkaufsfläche, erhob Lindner in einer aktuellen Studie. Zum Vergleich: Bei klassischen Einkaufszentren liegt der Wert bei 0,24 Quadratmetern – Österreich rangiert bereits damit in Europa an der Spitze. Es sind immer kleinere Städte mit oft nur schmalen Einzugsgebieten, an denen sich Fachmärkte an der Ortsausfahrt ansiedeln. Prägten in der Vergangenheit meist große Bau- und Möbelmärkte, um die sich ein paar kleine Fachhändler scharen, das Bild, sind es mittlerweile vor allem Lebensmittelketten, die raus aus den Stadtkernen auf die Wiese ziehen. Und in ihrem Kielwasser folgen in Erwartung guter Frequenz die übrigen Filialisten. Denn wo Tauben sind, fliegen Tauben zu.

Spitze des Eisbergs

Lindner macht in Österreich bereits 253 Fachmarktansammlungen aus, die jeweils mehr als 4.000 Quadratmeter aufweisen. Das sei nur die Spitze des Eisbergs, sagt er, denn Gebiete wie Strasshof fallen mit ihren kleineren Märkten unter die Definitionsschwelle. In Summe ist die Zahl der Geschäfte dieser Gebiete seit dem Jahr 2000 von 1.400 auf fast 4.000 gestiegen.

Lindner gibt die Schuld an der fortschreitenden Verödung der Innenstädte nicht den Handelsketten und Projektentwicklern. Die Bürgermeister seien gefragt, und noch mehr die Stadtbaumeister. "Es braucht hier vernünftige langfristige Masterpläne." So gehörten Möglichkeiten der Flächenerweiterung für den Handel in Ortszentren gewissenhafter geprüft. Sollte letztlich nur der Weg an die Peripherie bleiben, was Lindner nicht generell verteufeln will, sollte dies abseits von Wildwuchs klug mit Maß und Ziel passieren.

Für regionale Händler ist in den Fachmärkten noch weniger Platz als in Shoppingcentern: Knapp 90 Prozent ihrer Fläche gehört Filialisten, bevorzugt Diskontern. Hofer, Kik und DM sind die Platzhirsche unter den Mietern. Billa stieg auf Platz vier auf, gefolgt von Takko, Pagro, Fressnapf, Deichmann. Rasant Raum gewonnen hat Tedi, während sich Charles Vögele einbremste. Die größten Fachmarkt-Fans sind die Kärntner: Von jedem Euro für den Handel geben sie dort 33 Cent aus. Salzburger als langjährige Nachzügler holten auf. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 13.3.2015)