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Terry Pratchett holte die Fantasy in die Realität zurück.

Foto: AP/Kirsty Wigglesworth

London/Wien – "Wenn du dir selbst vertraust ..." – "Ja?" – "... und an deine Träume glaubst ..." – "Ja?" – "... und deinem Stern folgst ..." – "Ja?" – "... dann wirst du trotzdem von Leuten übertroffen, die ihre Zeit damit verbringen, hart zu arbeiten und zu lernen und nicht so faul zu sein. Auf Wiedersehen."

So sprach die Hexe zum hoffnungsvollen Mädchen in Terry Pratchetts "Der Winterschmied". Und es sind Stellen wie diese, in denen Pratchett humorvoll die Klischees der Fantasyliteratur – den Heroismus, den Traum vom Auserwähltsein, den unerschütterlichen Glauben an die eigene Mission – über den Haufen warf, die sein Werk zu etwas Besonderem machen.

Der 1948 in Beaconsfield in Buckinghamshire geborene Engländer ist nicht nur seinem Stern gefolgt, er hat mehr als hart gearbeitet. Pratchetts Bibliografie ist gewaltig, insgesamt wurden von seinen Romanen weltweit mehr als 55 Millionen Exemplare verkauft. Er schrieb Kinderbücher ebenso wie Reiseschilderungen oder Betrachtungen zur englischen Folklore. Der Hauptteil seines Werks gehört jedoch zur Fantasy, insbesondere zu seiner populärsten Schöpfung: der Scheibenwelt.

Von 1983 an gestaltete Terry Pratchett in 40 Romanen und zahlreichen kürzeren Erzählungen eine fiktive Welt aus, die auf dem Rücken einer riesigen Schildkröte durchs All segelt und die von all dem bevölkert ist, was man aus klassischen Fantasywerken kennt: von Hexen und Zauberern, Zwergen und Trollen, Vampiren und Barbaren. Doch stets geschildert mit liebevoller Ironie, die auf Pratchetts unnachahmlichem Sinn für Humor basierte.

Wie der multikulturelle Stadtmoloch Ankh-Morpork, in dem ein Großteil der Scheibenweltromane angesiedelt ist, ein Spiegelbild Londons im 19. Jahrhundert ist, so karikiert die Scheibenwelt selbst die unsere. Dass Pratchett das oft eskapistische Genre Fantasy so fest in unserer Lebenswelt verankerte, ist der Grund, warum Pratchett Popularität weit über Genregrenzen hinaus erlangte, zu einem der erfolgreichsten englischsprachigen Autoren der Nachkriegszeit wurde und 2008 für seine literarischen Verdienste von der Queen den Ritterschlag erhielt.

Seit Terry Pratchett 2007 bekanntgegeben hatte, dass er an Alzheimer erkrankt war, bangten Fans zunehmend um die Gesundheit des Autors. Und nun ist die lange befürchtete Nachricht tatsächlich eingetroffen: Am Donnerstag starb Pratchett im Alter von 66 Jahren im Kreis seiner Familie. Wie sein Verleger Larry Finlay sagte: "Die Welt hat einen ihrer klügsten, scharfsinnigsten Geister verloren." (Jürgen Doppler, DER STANDARD, 13.3.2015)