Um medial auf die schlechten Arbeitsverhältnisse aufmerksam zu machen, schenken Lektoren der Universität Wien eine "Prekärsuppe" aus.

Foto: Sophie-Kristin Hausberger

Wien - Vegetarisch oder gehaltvoll mit Würstel und Bohnen: Die "Prekärsuppe", die Lehrende vor der Universität Wien ausschenken, gibt es in beiden Facetten. Ebenso vielschichtig sind die Missstände, auf die sie damit aufmerksam machen wollen.

Es ist ein paradoxes Bild: Mit großen Bannern weist die Universität Wien auf den Festakt zu ihrem 650-jährigen Bestehen hin, wenige Meter entfernt fordern Lektoren: "Sicherheit statt Prekarität". Denn 650 Jahre seien genug. An der Uni Wien machen die Lektoren mehr als ein Drittel des wissenschaftlichen Personals aus. Die Arbeitsverhältnisse sind aber mit jenen von Professoren nicht zu vergleichen, denn Lektoren haben meist keine oder nur befristete Dienstverhältnisse. Gegen diese fortwährende Misere kocht die "Interessengemeinschaft LektorInnen und WissensarbeiterInnen" vor der Uni Wien ihr prekäres Süppchen. Doch schon lange köchelt der Unmut der Lektoren.

Kritik an "Knebelungsregelung"

"Gerade an einem Tag wie heute, wo das lange Bestehen der Uni im Festsaal bejubelt wird und es am Abend eine große ökumenische Vesper gibt, wollen wir auf unsere Situation aufmerksam machen", sagt Christian Cargnelli. Denn während die Uni genügend Geld für einen großangelegten Festakt habe, werde den Anliegen der Lektoren nicht nachgekommen. Cargnelli lehrt seit mehr als 20 Jahren an der Universität, dennoch muss er sich durch ein Dickicht von Kettenverträgen kämpfen. "Wenn eine Stelle ausgeschrieben ist, bewerbe ich mich – das ist aber kaum der Fall. Meine Existenz und die vieler meiner Kollegen besteht darin, Forschungsanträge zu schreiben."

Zukunftsängste

Sonst bemüht sich der ausgebildeter Forscher und Lehrende mit Doktorat um Nebenjobs, um sich seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Cargnelli kritisiert die Kettenvertragsregelung, die ursprünglich zum Schutz von Arbeitnehmern geschaffen wurde: "Sie ist eine Knebelungsregelung, die einen nach einer bestimmten Anzahl von Jahren mir nichts, dir nichts zwingen kann, die Uni zu verlassen." Die Kettenvertragsregelung geht auf das Universitätsgesetz von 2002 zurück. Darin wird geregelt, dass Universitäten nach sechs, in manchen Fällen nach acht Dienstjahren, keine weiteren Kurzverträge an Lektoren ausstellen dürfen. Dadurch sollen prekäre Arbeitsverhältnisse vermieden werden. De facto kann nach einer einjährigen Pause aber erneut mit befristeten Verträgen begonnen werden. Eine längerfristige Lebensplanung ist durch die Aneinanderreihung von losen Dienstverträgen laut Cargnelli nicht möglich.

Lektor ein Leben lang

"Wir fordern die Abschaffung von befristeten Verträgen. Wir werden ja immer nur für sechs Monate angestellt. Das heißt: Wir werden bei der Krankenkasse an-, ab- und dann wieder angemeldet – ein unglaublicher bürokratischer Aufwand", sagt Maria Dabringer, Betriebsrätin an der Uni Wien. Früher galten Stellen als Lektor an einer Universität als Übergangsphase unmittelbar nach dem Studium, inzwischen zählt diese Art der Beschäftigung zu den dauerhaften, wenn nicht lebenslangen in der akademischen Arbeitswelt.

"Es wird sehr viel Geld für die Jubiläumsfeier ausgegeben. Wir würden uns wünschen, mit diesem Geld evaluativ zu schauen, wie man die Arbeitsplätze an der Universität Wien verbessern könnte", sagt Dabringer. Denn viele Lektoren hätten nicht einmal einen Raum zum Ausdrucken von Unterlagen, geschweige denn ein Zimmer zum Mantelaufhängen. (Sophie-Kristin Hausberger, derStandard.at, 12.3.2015)