Der Berliner Universalphilosoph und Autor Thomas Kapielski, der die Romankunst für ebenso abgewirtschaftet hält wie den Scherenschnitt, rät von vielem, besonders aber von Buchmessenbesuchen ab. Und das, obwohl er hier zu einer Frühschoppen-Lesung erwartet wird. Trotzdem: Den Autor eines Buches, das man schätzt, persönlich erleben zu wollen ist laut Kapielski ungefähr dasselbe, als wollte man das Glas kennenlernen, aus dem das Bier geschmeckt hat.
"Trainingstrinker"
Alkoholisches auch in der Leipziger Volkszeitung, die vermeldet, ein 43-Jähriger sei mit 4,85 Promille vor einer Tankstelle liegend aufgefunden und ins Krankenhaus gefahren worden. Ein Sprecher beruhigte, der Mann sei als "Trainingstrinker" bekannt, er werde, so wie man ihn kenne, schnell wieder auf den Beinen sein. Wer weiß, vielleicht schafft er es bis Sonntag sogar zur Buchmesse.
Dort freut man sich bei der Eröffnungspressekonferenz über das schlechte Wetter, es soll gut für das Publikumsaufkommen sein. Auch sonst wird, was den Buchmarkt betrifft, viel positive Stimmung verbreitet. Man habe seine Hausaufgaben gemacht, den stationären gegenüber dem Online-Handel gestärkt und mit dem Elektrobuch-Lesegerät "Tolino" Amazons "Kindle" die Stirn geboten, meinte Alexander Skipis vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels.
Auch war recht viel von Bildung und dem Wert des Lesens die Rede. Gleichzeitig blieben allerdings gerade die Schulen geschlossen, weil die Lehrer vor dem Gewandhaus streikten, in dem am Abend für geladene Gäste die Messe eröffnet wurde. Viele Pädagogen, landesweit wird in Leipzig am wenigsten bezahlt, sollen gezwungen sein, sich mit Nebenjobs (vier Euro die Stunde) zum Beispiel als Pizzaboten finanziell über Wasser zu halten. In dieser Funktion liefern sie dann Italienisches - oft an ihre eigenen Schüler. (Stefan Gmünder, DER STANDARD, 12.3.2015)