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Eine Stiefmutter, deren Hass nicht ganz unplausibel wirkt: Cate Blanchett im giftgrünen Kleid in "Cinderella".

Foto: ap/Jonathan Olley

Wien - Von den vielen magischen Momenten in Märchen ist die Verwandlung des Aschenputtel ein ganz besonderer: Es ist jener Augenblick, in dem die junge Frau, der unser ganzes Mitgefühl gehört, endlich von ihrem Elend erlöst und zur strahlenden Schönheit wird. Eine Flucht aus dem traurigen Alltag in eine andere, märchenhafte Welt, in der nicht nur ein Prinz, sondern auch eine glückliche Zukunft wartet. Für die Leinwand ist ein solcher Moment wie geschaffen, weil das Kino alle Möglichkeiten besitzt, eine Verwandlung zur Verzauberung werden zu lassen.

"In aller Eile zog sie das Kleid an und ging zur Hochzeit", liest es sich nicht nur hier trocken bei den Brüdern Grimm, weshalb sich Kenneth Branagh für seine Adaption Cinderella wohl lieber bei der schmuckvolleren Vorlage Cendrillon von Charles Perrault bediente, in der das Aschenputtel von seiner guten Fee Unterstützung erhält: Einen Kürbis in eine goldene Karosse zu verwandeln kann sich nämlich, wie schon in Disneys Zeichentrickklassiker von 1950, eindeutig besser sehen lassen.

Der britische Schauspieler und Regisseur, der sich vor einigen Jahren von den populären Shakespeare-Verfilmungen abwandte und US-Blockbuster wie Thor inszenierte, weiß um den effizienten Einsatz solcher Momente: Wenn die Kamera sich bei der Verwandlung des Aschenmädels (Lily James) in die Höhe schraubt und das unscheinbare Kleid der verstorbenen Mutter dabei zu einer Mädchenfantasie in Blau wird, erweist sich das Kino als jene perfekte Traummaschinerie, wie sie ein jedes Märchen verlangt.

Dass dieser Film dennoch nicht in den Kitsch abdriftet, obwohl er den schönen Schein genussvoll zelebriert - etwa in den Szenen der rauschenden Ballnacht -, liegt vor allem am überraschend bodenständigen Drehbuch von Chris Weitz (About A Boy), der es sich sogar nicht nehmen lässt, dem Märchen die eine oder andere sozialkritische Anmerkung beizufügen.

Feine Verschiebungen

Natürlich erzählt Cinderella nach wie vor von Unterwürfigkeit, die sich am Ende bezahlt macht, doch es sind die kleinen Verschiebungen bei Nebenfiguren, die den Film bemerkenswert machen. Da braucht aus der Märchenheldin keine revolutionäre Kämpferin zu werden wie zuletzt Kristen Stewart in Snow White and the Huntsman und aus der bösen Stiefmutter keine exaltierte Spinnerin wie Julia Roberts in Mirror, Mirror.

Es genügt ein Königssohn (Richard Madden), der seine Herkunft nicht preisgeben will, weil er um seiner selbst geliebt werden möchte; ein Vater (Ben Chaplin), der große Worte predigt, aber am Ende die Tochter im Stich lässt; und vor allem eine Stiefmutter (Cate Blanchett), deren Hass auf die junge Unschuld beinahe gerechtfertigt scheint. Alle sehen sich hier selbst anders, als sie wahrgenommen werden, und so ist es kein Zufall, dass den Namen noch größere Macht zukommt als in der Vorlage. So bedarf es in Cinderella für die endgültige Verwandlung des Aschenputtel auch keiner guten Fee, sondern Zuversicht und Selbstvertrauen - fast wie im echten Leben. (Michael Pekler, DER STANDARD, 12.3.2015)