Sektionschef Pilnacek erkannte anders als die Polizisten im Video keinen Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Foto: Matthias Cremer

Wien - Nach dem Bekanntwerden neuer Misshandlungsvorwürfe gegen die Polizei hat der Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium, Christian Pilnacek, am Mittwoch das Vorgehen der Beamten kritisiert. Eine 47-jährige Frau war in der Silvesternacht in Wien laut einem "Falter"-Bericht offenbar ungerechtfertigt wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen und von Polizisten misshandelt worden.

Pilnacek sah im Gespräch mit dem Ö1-"Morgenjournal" im Verhalten der Frau keinen Widerstand gegen die Staatsgewalt. Sie wurde bereits wegen dieses Delikts sowie wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. "Vorschnell", beurteilte Pilnacek diese Vorgangsweise.

Festgenommen wurde die Frau auf dem Gelände einer Tankstelle in der Wiener Innenstadt, die Geschehnisse wurden von der Überwachungskamera erfasst und sind auf einem halbstündigen Video zu sehen, das die Frau aufgetrieben hatte, nachdem sich die Behörden offenbar nie dafür interessiert hatten.

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Bei der Frau wurden nach Angaben des "Falter" am 1. Jänner im AKH unter anderem ein Bruch des Steißbeins, Prellungen von Schädel und Knie sowie Blutergüsse festgestellt.

"Bedauern diesen Vorfall außerordentlich"

"Das Vorgehen der Polizei ist sicherlich aufklärungs- und erörterungsbedürftig, weil mir der Einsatz zu massiv erscheint", sagte Pilnacek. Er frage sich, "ob das, was vor der Tankstelle passiert ist, nicht als Verteidigungshandlungen (gegen die Polizisten, Anm.) einzuschätzen ist". Außerdem sei es fraglich, inwieweit es bei so einem Verletzungsbild überhaupt wahrscheinlich sein könne, "dass sie danach noch Widerstandshandlungen setzt".

Auch die Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien, Maria-Luise Nittel, nannte die Anklageerhebung "vorschnell". Der zuständige Staatsanwalt "hätte das ganze Beweismaterial abwarten und sichten müssen" und erst danach über einen Strafantrag entscheiden, sagte Nittel im Ö1-"Mittagsjournal" am Mittwoch.

Dass auch gegen die Beamten ermittelt werde, müsse der Staatsanwalt gewusst haben, sagte Nittel, es habe in der Anzeige einen Vermerk über die internen Erhebungen durch das Büro für besondere Ermittlungen gegeben. "Wir bedauern diesen Vorfall außerordentlich", so Nittel. Man werde in Zukunft alles tun, um derartige Vorfälle zu vermeiden, "auch in Zusammenarbeit mit den zuständigen Polizeibehörden".

Polizeisprecher: Vorwürfe meistens von Beschuldigten

Johann Golob, Sprecher der Wiener Polizei, sagte, dass es unabhängig von diesem Fall "ja doch meistens Beschuldigte sind", die solche Vorwürfe erheben würden, weil sie "strafbarer Handlungen verdächtig" seien. "Und das muss natürlich schon genau hinterfragt werden." Bei 250 Anzeigen gegen Polizisten im Vorjahr habe es keine Verurteilung gegeben.

Der Anwalt der Frau, Wilfried Embacher, sagte, seine Maßnahmenbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof richte sich nur gegen die Landespolizeidirektion. Es gebe aber noch keine Stellungnahme der Gegenseite, geschweige denn einen Verhandlungstermin. Bei den strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Beamten gehe er davon aus, dass diese nun "mit mehr Nachdruck" geführt würden. (APA, 11.3.2015)