Auftritt von "Ich bin O.K."-Tänzern bei einer inklusiven Tanzveranstaltung der Hilfsorganisation "Licht für die Welt".

Zeroproject/Frank Garzarolli

Getanzt wurde im Rahmen der vierten "Zero Project Conference" der Vereinten Nationen in Wien: Politiker, Betroffene, NGOs und Unternehmen aus mehr als 70 Ländern vernetzten sich zum Thema politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen.

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Beim Tanzen gehe es um die richtige Dosierung von Nähe und Distanz. Kommuniziert wird dabei mit allen vorhandenen Sinnen.

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Wien - Wer die Musik nicht hören kann, orientiert sich an jemandem, der den Rhythmus vermittelt. Kommuniziert wird nonverbal, mit allen vorhandenen Sinnen. Beim Tanzen gehe es um die richtige Dosierung von Nähe und Distanz, sagt Katalin Zanin, Psychologin und Gründerin des inklusiven Wiener Kulturvereins "Ich bin O.K.", der Workshops - von Walzer bis Breakdance - für Kinder und Erwachsene anbietet. Die Dance-Company des Vereins inszeniert außerdem mit Profi-Choreografen Tanztheaterstücke. Die Tänzer und Kursteilnehmer sind zu rund 80 Prozent Menschen mit Downsyndrom, aber auch Gehörlose, Personen im Rollstuhl oder ohne Beeinträchtigung.

Als Zanin den Verein im Jahr 1979 gründete, sei sie ausgelacht worden, denn Behinderten sei die Fähigkeit zu künstlerischer Entfaltung nicht zugetraut worden. Politisch wurde kulturelle Inklusion als Luxus abgetan, sagt Zanin im STANDARD-Gespräch.

Mehr Angebot, weniger Vorurteile

Mittlerweile gebe es zumindest innerhalb der Community eine Selbstverständlichkeit - wenn etwa Eltern ihre beeinträchtigten Kinder zum Tanzkurs anmelden. "Mehr Angebot, mehr Austausch, weniger Vorurteile", beschreibt Hana Zanin, nunmehr Vereinsobfrau, die aktuelle Situation. Außerhalb des Kreises Betroffener würden sich aber viele immer noch über Tänzer mit Handicap wundern. Dass das Thema auch politisch noch nicht ernst genommen werde, zeige etwa die Tatsache, dass es keine anerkannte Tanzausbildung für Personen mit Behinderung gebe. Tanzen gelte im besten Fall als Freizeitaktivität.

Auch Behindertenanwalt Erwin Buchinger vermisst die Selbstverständlichkeit - inklusive Kulturprojekte seien noch immer etwas Spezielles, worauf man besonders stolz sei. Teilhabe müsse aber in allen Lebensbereichen, nicht nur bei Bildung und Beruf, ganz selbstverständlich sein.

No-na-Maßnahmen

Ein gleichberechtigtes kulturelles Leben ist in Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention beschrieben: Der Staat müsse den Zugang zu kulturellen Aktivitäten und Materialien sowie die Entfaltung von kreativem und intellektuellem Potenzial ermöglichen.

Die von der Bundesregierung 2012 beschlossenen Maßnahmen zur Umsetzung - etwa Barrierefreiheit in Museen, Literatur in Leichter Sprache - kritisiert Buchinger als "vage No-na-Vorhaben".

Kulturelle Inklusion gelte oft nicht als kulturpolitisches Thema - Förderansuchen würden gerne ans Sozialministerium verwiesen; wenn Behinderung im Spiel ist, bekommen Projekte "den Touch des Sozialen", sagt Buchinger. (Christa Minkin, DER STANDARD, 13.3.2015)