Bild nicht mehr verfügbar.

Täglich 10.000 bis 200.000 Euro haben Bankkunden in Griechenland in den vergangenen Monaten abgehoben - aus Furcht vor der Einführung von Kapitalkontrollen oder gar einem Austritt aus der Eurozone. Nun haben Unternehmer Probleme, bei der Bank Geld zur Vorfinanzierung von Importen zu bekommen.

Foto: Reuters/Behrakis
Grafik: STANDARD

Belgisches Bier steht noch im Regal der Athener Supermärkte, auch wenn die Großhändler nun erste Engpässe bei den Importen melden: Das Geld wird knapp in Griechenland. Preislich gehobene Ware wie Bier aus Belgien oder - wichtiger - elektronische Geräte und chemische Rohstoffe, etwa zur Herstellung von Dünger, sind mit einem Mal nicht mehr so leicht zu beschaffen. Händler und Industrielle bekommen keine Kredite mehr von den Banken, um ihre laufenden Geschäfte zu finanzieren. Der Verband der griechischen Unternehmer (SEV) bestätigte am Dienstag auf Anfrage das Problem.

Zeitverschwendung nannte der Chef der Eurogruppe, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, unverblümt die Unternehmungen der griechischen Linksregierung mit ihren Reformlisten, die sie nach Brüssel schickt, während die Banken nun auf Sand laufen. Die Kapitaleinlagen sind auf einem Jahrzehnttief: Auf nur noch 139 Milliarden Euro schätzt sie der Bankenexperte Nikolaos Georgikopoulos derzeit. "Wir stecken bereits im Negativszenario, das beim Bankenstresstest im Herbst vergangenen Jahres nur eine der durchgespielten Optionen war", sagt der Ökonom, der auch an der Universität von New York forscht.

Stresstest nicht bestanden

Drei der vier großen griechischen Banken - National Bank of Greece, Eurobank und Piräus Bank - haben im Oktober 2014 den "Gesundheitstest" der Europäischen Zentralbank (EZB) wegen ungenügender Kapitalausstattung nicht bestanden, wenn auch nur knapp; die Alpha Bank hatte keine Probleme. Doch nun ist die Lage sehr viel dramatischer. Weil die Regierung des Linkspolitikers Alexis Tsipras die Sparpolitik aufkündigte, die seine Vorgänger mit Griechenlands Kreditgebern vereinbart hatten, hängen die Banken in der Luft.

Im November 2014, noch Wochen bevor überhaupt feststand, dass es vorgezogene Parlamentswahlen geben würde, begannen die Griechen ihr Geld von den Banken abzuheben. Tsipras' Vorgänger, der konservative Regierungschef Antonis Samaras, konnte keine Einigung mit der Troika finden. Selbst die saisonalen Effekte blieben aus: Zum Jahresende bunkern Unternehmen extra Geld auf den Banken, um die 13. Monatsgehälter zu zahlen.

10.000 bis 200.000 Euro waren die Summen, die Kunden täglich nach Hause nahmen oder an andere Banken ins Ausland überwiesen. Der Sieg der Linken am 25. Jänner und die Eklats in der Eurogruppe haben die Griechen noch nervöser gemacht. Knapp 27 Milliarden Euro sind auf diese Weise bisher verschwunden. Auf 165,8 Milliarden Euro beliefen sich die Einlagen noch im November 2014. Gleichzeitig werden die griechischen Banken auch von der EZB in die Zange genommen. Frankfurt sperrte sich gegen weitere Hilfen. Jetzt ist die Not so groß, dass das EZB-Direktorium sich diese Woche nochmals mit Griechenland befasst.

Unzureichend bis amüsant

Am Mittwoch will ein "technisches Team" von Finanzminister Yiannis Varoufakis in Brüssel über die sieben jüngsten Reformideen des Ministers verhandeln. Die Amtskollegen in der Eurogruppe fanden sie unzureichend oder auch nur amüsant wie etwa den Vorschlag, Studenten und Touristen als Spitzel einzusetzen, die der Finanzpolizei Steuerbetrüger in Restaurants und Geschäften melden sollen. Einen Termin für die Rückkehr der Troika-Kreditgeber nach Athen gebe es noch nicht, teilte das Amt von Premier Alexis Tsipras am Dienstag mit.

Regierungsberater in Athen zeigen sich frustriert über das Kabinett der Linkssozialisten und Reformkommunisten. Engagiert und guten Willens, aber fürchterlich unprofessionell sei das Personal um die einzelnen Minister, so heißt es. "Sie denken in allgemeinen Kategorien, wollen dies und das ausprobieren und dann schauen, ob es auch funktioniert. Aber was wir brauchen, sind 1,6 Milliarden Euro und das sofort", berichtet ein langjähriger Berater. Diese Summe muss der griechische Staat im laufenden Monat an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen. Daneben werden noch mehrere kurzfristige Anleihen fällig. Verzweifelt kratzt die Regierung jetzt Geld zusammen: Pensionsfonds, Bankenfonds, die Post, die Behörde, die Agrarhilfen der EU auszahlt - sie alle müssen ihre Reserven hergeben. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 11.3.2015)