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FN-Chefin Marine Le Pen weist die Vorwürfe, Parlamentsmitarbeiter in Brüssel hätten für ihre Partei wahlgekämpft, zurück.

Foto: AP Photo/Christophe Ena

Es ist vorläufig nur ein Verdacht, der sich auf interne Unterlagen in der Partei der französischen extremen Rechten stützt, dem Front National (FN) unter seiner Chefin Marine Le Pen. Und die EU-Behörde zur Betrugsbekämpfung (Olaf) hat noch nicht entschieden, ob sie überhaupt Ermittlungen wegen Betruges bzw. missbräuchlicher Verwendung von Steuergeldern gegen eine Reihe von FN-Abgeordneten in Straßburg einleitet.

Aber dennoch steht schon jetzt fest, dass die Verwaltung des Europäischen Parlaments (EP) in der Nacht auf Dienstag einen der heikelsten mutmaßlichen Korruptionsfälle seit Jahrzehnten offiziell ins Rollen gebracht hat: Es geht um einen vermuteten Schaden von 7,5 Millionen Euro. EP-Präsident Martin Schulz persönlich hat bei Olaf Anzeige erstattet.

Verboten

Nach Angaben des Parlaments legten Dokumente nahe, dass FN-Abgeordnete persönliche Assistenten eingestellt haben, die ihre Arbeit nicht widmungsgemäß für die parlamentarische Tätigkeit auf EU-Ebene verrichtet haben. Stattdessen sollen sie in einem Organigramm der Partei aufscheinen, in Frankreich für den FN gearbeitet haben und daher möglicherweise im Wahlkampf engagiert gewesen sein. Es handle sich um zwanzig Leute.

Das wäre nach den Regeln des EU-Parlaments verboten. Mittel aus den EU-Budgets dürfen nicht für nationale politische Parteien verwendet werden. "Wenn Mitarbeiter vom Europäischen Parlament bezahlt werden, muss ihre Arbeit direkt mit der Ausübung des Mandats eines Parlamentsmitglieds zusammenhängen", heißt es in einer Erklärung. Schulz hat auch die französische Justizministerin Christiane Taubira informiert. Vier Assistenten, die offiziell in Straßburg und Brüssel tätig sind, sowie 16 Mitarbeiter in den Wahlkreisen seien auf diesen Listen, hieß es im Parlament.

"Anzeige wegen Verleumdung"

FN-Chefin Marine Le Pen wies die Vorwürfe via Twitter umgehend zurück und kündigte eine "Anzeige wegen Verleumdung" an. Ihr Vize Florian Philippot sprach von "Schwindel" und betonte ironisch: "Unsere Mitarbeiter arbeiten nicht für die Europäische Union, sondern gegen sie." Die FN lehnt die EU ab und will sie und den Euro in der heutigen Form auflösen. Im EU-Parlament stellt sie 23 Abgeordnete und spielt in der französischen Innenpolitik mit harter Opposition eine starke Rolle. 2017 möchte Le Pen Staatspräsidentin werden.

Jeder EU-Abgeordnete hat Anspruch auf eine Sekretariatszulage von 21.379 Euro pro Monat. Ein Sechstel dieser Summe darf für Servicezwecke ausgegeben werden, sei es indem der Abgeordnete eine Studie machen lässt oder eine sonstige Serviceleistung in Anspruch nimmt, die eng mit seiner persönlichen politischen Tätigkeit in Zusammenhang steht.

Die meisten Abgeordneten stellen sich um dieses Geld Assistenten ein, die sie inhaltlich und organisatorisch unterstützen oder die Pressearbeit erledigen. Diese Assistenten sind vom Parlament angestellt, werden sozialversichert und bekommen ihr Gehalt von der EU. Werden sie in Brüssel, Straßburg oder Luxemburg angestellt, fällt das steuergünstiger aus als bei jenen "nationalen Assistenten", die im Herkunftsland beschäftigt werden.

Die Querfinanzierung von Parteien oder parteinahen Organisationen "zu Hause" ist aber ebenso untersagt wie die Beschäftigung von Familienmitgliedern. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 10.3.2015)