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Eine fast alltägliche Szene aus Lampedusa: Ein Carabiniere auf Lampedusa ist mit einer Gruppe von Flüchtlingen konfrontiert.

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Will gehört werden: Tareke Berhane, der 2005 über Lampedusa nach Europa kam und sich seither für notleidende Menschen einsetzt, die seinen Weg noch vor sich haben.

Foto: Florian Lems

Wie sehr die Flüchtlingsströme die italienischen Behörden belasten, hätte Guiseppina Maria Nicolini, Bürgermeisterin von Lampedusa, eigentlich selbst schildern sollen. Eine erneute Zuspitzung der Lage vor Ort veranlasste Nicolini jedoch kurz vor dem Kongress nach Hause zu fliegen, um vor Ort die Lage in den Griff zu bekommen. Statt ihrer geplanten Ansprache eröffnete ein kurzer Film über Tareke Berhane die Debatte.

Dem gebürtigen Eritreer gelang 2005 die Flucht auf die Insel, wo er heute mit der Organisation "Safe the children" neu ankommende Asylsuchende mit Nahrung versorgt und Beistand leistet. In einer emotionalen Rede forderte er die Europäische Union auf, die internationale humanitäre Hilfe zu erweitern. Er spreche in diesem Moment nicht zu Bürgern Österreichs, sondern zu Bürgern Europas. Die italienischen Grenzen seien europäische Grenzen. Es dürften nicht länger politische oder ökonomische Interessen im Vordergrund stehen. "Hier geht es doch um Menschenleben! Wie viele Opfer sind noch nötig, damit Europa endlich reagiert? Nennt mir eine Zahl!", rief er ins Publikum.

Keine Insel der Seligen

Die Insel Lampedusa ist ein berühmtes Beispiel für eine negativ verlaufende Flüchtlingspolitik und zählte daher zu den zentralen Themen des Kongresses. Die Insel zwischen Tunesien und Sizilien ist vor allem seit den Unruhen in Nordafrika 2011 Ziel vieler Afrikaner, die vor politischer Verfolgung, Krieg und Armut nach Europa flüchten. Transportmittel sind meist überladene und marode Schiffe, wodurch es in der Vergangenheit wiederholt zu schweren Unfällen kam, wie im Oktober 2013 oder zuletzt im Februar dieses Jahres, als jeweils über 300 Menschen ums Leben kamen.

Schlepper profitieren von Tragödien

Oliviero Forti, ein italienischer Migrationsexperte der Caritas, beklagt, dass die EU bis heute keine einheitliche Linie in der Flüchtlingspolitik fahre und damit das Risiko für Tragödien erhöht. Es müssten dringend Bedingungen dafür geschaffen werden, dass die Menschen auf legalem und sicherem Wege nach Europa kommen könnten.

Für Michel Reimon, Mitglied des europäischen Parlaments stellt sich die Situation ein wenig anders dar: Schuld an den vielen Tragödien habe nicht die Flüchtlingspolitik der EU, sondern vor allem verantwortungslose Schmuggler und Schlepper. Viele Flüchtlinge haben laut Reimon auch ökonomische Beweggründe und würden durch die liberale Wirtschaftspolitik in Europa angezogen. "Diese Menschen können wir aber nicht alle aufnehmen. Es gibt derzeit keine Mehrheit unter den EU-Bürgern für eine Änderung der aktuellen Asylpolitik."

Lösungen statt Schuldzuweisungen

Elisabeth Tichy-Fisslberger vom österreichischen Außenministerium verteidigte die umstrittene Grenzschutzmission Triton. Dank der Operation seien bereits positive Ergebnisse erzielt worden: Zahlreiche Schmuggler konnten gestoppt und viele Menschenleben gerettet werden. Der Forderung Berhanes nach einer Erhöhung der humanitären Hilfe entgegnete sie, dass zahlreiche Länder noch viel weniger Geld als Österreich bereitstellen.

Mahnende Worte zum Abschluss

Mit dem Finger auf andere zu zeigen, sei jedoch genau der falsche Ansatz, sagte Berhane und bemängelte, dass jeder EU-Staat seine eigene Flüchtlingspolitik betreibe. Es sei notwendig, dass sich die Mitgliedsstaaten an einen Tisch setzen, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. "So wie jetzt können wir jedenfalls nicht weitermachen. Wir brauchen eine Lösung, um künftige Tragödien zu verhindern und den Flüchtlingen eine Zukunft zu geben." (Stephanie Beil, derStandard.at, 19.3.2015)