Baz postet ein Foto in Badehose auf Facebook: "Habe es nicht bis Gmunden geschafft, bin in Wien gelandet. Würde ein Bad in der Donau die Challenge erfüllen?" Draußen hagelt es. Eiskugeln, die vom Himmel prasseln, hat der Australier noch nie erlebt. Laura Gracious, die vorschlug, in den Traunsee zu springen, akzeptiert.

Fast enttäuscht kommt Baz auf der Donauinsel an. Die Sonne bricht wieder hervor, und die Wetter-App am Handy zeigt sechs Grad an. Er schwenkt mit dem Arm einmal am Kagraner Ufer entlang. "Wenn das hier alles schneebedeckt wäre, wüssten die Australier, wie verdammt hart es jetzt für mich wird." Er hüpft in das drei Grad kalte Wasser.

Bei drei Grad Wassertemperatur in die Neue Donau. Hätte schlimmer kommen können: Eine halbe Stunde vorher hagelte es in Wien.
Foto: Maria von Usslar/derstandard.at

Entscheidungen wie die von Laura Gracious werden entweder auf allen möglichen sozialen Medien oder auf seiner Website "What Should Baz Do" getroffen. Begonnen hat Baz mit seiner Familie und seinen Freunden in Gympie, in der Nähe der Ostküste von Australien, seit April 2014 soll die ganze Welt über sein Leben abstimmen – ein soziales Experiment, wie er sagt.

Sebastian "Baz" Kath ist 28 Jahre alt und freiberuflicher Lehrer für naturwissenschaftliche Fächer, derzeit hauptsächlich in London. "What Should Baz Do" hat ihn aber auch schon nach Indien zum Unterrichten gebracht.

Held seines eigenen Kinderbuchs

Jeder kann bestimmen, wohin Baz fährt und was er dort tut. Das Prinzip stammt aus sogenannten "Choose Your Own Adventure"-Büchern, Spielbüchern, die den Leser immer wieder vor Entscheidungen stellen, die den Ausgang der Geschichte verändern. Die Horror-Reihe "Give Yourself Goosebumps", die Baz als Kind liebte, bietet zum Beispiel 20 mögliche Enden für den Helden. Jetzt will Baz für ein paar Jahre selbst der Held seiner Geschichte sein.

Faxen auf dem Praterhauptplatz. 26 Prozent seiner Community haben für Österreich als Reiseziel gestimmt.

Dazu kommt: Baz hat extreme Entscheidungsschwierigkeiten. Kaum vorstellbar, wie er als Kind die Figur in den Jugendromanen führte. Heute hadert er schon bei den kleinsten Wahlmöglichkeiten, wie Kamera oder nur Handy einpacken und mit oder ohne Haube aus dem Haus gehen. Er ist sogar unentschieden, welches Musikinstrument er einmal beherrschen will.

Einzige Konstante seines Lebens ist das regelmäßige Fitnesstraining. Gesunde Ernährung und ein durchtrainierter Körper sind ihm wichtig. Da kann ihm kein Internet-User mit einer ungesunden Entscheidung dazwischenfunken.

Nur bei der Liebe entscheidet er sich selbst

Auch welches Mädchen er heiraten soll, stellt Baz nicht zur Debatte, "da verlasse ich mich dann auf mein Gefühl". Für alles andere gibt es ein bestimmtes Auswahlverfahren. Gegen verantwortungslose und sensationsgetriebene Vorschläge hilft Baz' Vorauswahl von meistens zehn Vorschlägen. Ideen wie "vom höchsten Gebäude ohne Fallschirm springen oder etwas Illegales" kübelt er. Die restlichen werden zur Abstimmung freigegeben, und die beste setzt Baz um.

Willenskraft statt Entscheidungsstärke

Mit dieser Methode will Baz möglichst vielen zeigen, dass alles mit ein bisschen Willenskraft möglich ist – auch bei mangelnder Entscheidungsstärke. Ein Beispiel: Ein Freund möchte von ihm eine Flasche selbstgestampften Wein aus Italien geschenkt bekommen. Daraus ergäben sich folgende Lebensänderungen: Nach Italien umziehen, dort bei einem Winzer anheuern und Geld zum Leben verdienen, Winzern lernen und bei Gelegenheit einen Kübel Trauben stampfen, eine Flasche damit befüllen und sie nach Gympie schicken.

Bart lang oder Bart ab?
Screenshot: What Should Baz Do

Für Zeiten, in denen keine wichtigen Aufgaben fällig werden, lässt sich Baz alle möglichen Web-Wohltätigkeiten auferlegen, wie die #IceBucketChallenge, #Movember, #SoberOctober oder #FebFast. Derzeit steht zur Auswahl, ob er einen Brunnen in einer brasilianischen Favela bauen oder mit den Eisbären am Nordpol leben soll. Für Baz nichts Unrealistisches.

Flughafen Wien oder direkt per Anhalter nach London? Diesmal entscheiden die Autofahrer.
Foto: Maria von Usslar/derstandard.at

Für den Trip nach Österreich haben übrigens 26 Prozent gestimmt. Zurück hat Baz einen Flug nach London gebucht. Will er da überhaupt einsteigen? Irgendwer hat einmal Autostoppen vorgeschlagen. Keine Reaktion auf Facebook, in Australien schlafen sie jetzt. Baz beschriftet einen Karton mit zwei Optionen, "Flughafen oder London", und stellt sich an den Praterstern. Die vorbeifahrenden Autos sollen entscheiden. (Maria von Usslar, 17.3.2015, derStandard.at)