Man reibt sich die Augen. Was wird hier gespielt? Ist das reales Geschehen oder nur eine schlechte, geschmacklose Satire? Wladimir Putin verleiht dem tschetschenischen Republikchef Ramsan Kadyrow den "Orden der Ehre", kurz nachdem dieser den von Moskau als Nemzow-Mörder präsentierten Tschetschenen als "wahrhaften Patrioten Russlands" gewürdigt hat.

Tatsächlich ist der angeblich geständige Saur Dadajew als Polizeioffizier in Tschetschenien, wie es heißt, erfolgreich gegen islamistische Extremisten vorgegangen. Und jetzt soll er den Kreml-Kritiker Boris Nemzow wegen dessen Sympathien für Charlie Hebdo erschossen haben?

Kadyrow erhielt seinerzeit von Putin eine Blankovollmacht, als der - von Putin begonnene - zweite Tschetschenienkrieg außer Kontrolle zu geraten drohte. Mit einer Schreckensherrschaft und viel Geld aus Moskau schuf er eine Stabilität, die besser mit Friedhofsruhe definiert ist.

Um den Islamisten das Wasser abzugraben, gebärdet sich Kadyrow heute als Super-Muslim und lässt seinen Moskauer Mentor laufend hochleben. Dieser wiederum wird am Tag vor der Kadyrow-Auszeichnung in einer Dokumentations-Vorschau als Heimholer der Krim gefeiert.

Provokation, Desinformation, Verhöhnung der Kritiker im In- und Ausland: Das Drehbuch zu dieser im Wortsinn todernsten Realsatire kann eigentlich nur aus einer Literaturwerkstatt namens Geheimdienst stammen. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 10.3.2015)