Bild nicht mehr verfügbar.

Mohammed Badie, der Oberste Führer der Muslimbrüder (hier während eines Prozesses im vergangenen Juli), wurde bereits viermal in erster Instanz zu lebenslanger Haft verurteilt. Gegen ein Todesurteil legten seine Anwälte erfolgreich Berufung ein.

Foto: Foto: EPA / Khaled Elfiqi

Das Video mit den Bildern einer Gruppe von Männern, die in Alexandria einen Jugendlichen von einem Gebäude mehrere Meter in die Tiefe werfen, wurde im Juli 2013 mehrere Zehntausend Mal angeklickt. Am Samstag vollstreckten die Justizbehörden ein Urteil zum Tod durch den Strick gegen einen radikalen Islamisten, der in diese Gewalt nach der Entmachtung des islamistischen Präsidenten Mohammed Morsi verstrickt gewesen war.

Es war das erste Todesurteil, das im Zusammenhang mit dem Sturz der Islamisten und den anschließenden blutigen Unruhen vollzogen wurde. Hunderte weitere Todesurteile wurden zwar ausgesprochen, sind aber noch nicht rechtskräftig.

Prozesse im ganzen Land

Die Führung der Muslimbrüder ist in Dutzenden von Prozessen im ganzen Land in verschiedenen Konstellationen angeklagt. Die Vorwürfe sind immer ähnlich. Sie umfassen den Aufruf zu Gewalt und Vandalismus und die Verantwortung für den Tod von Demonstranten.

Seit Präsident Abdelfattah al-Sisi im Oktober des vergangenen Jahres den Geltungsbereich der Militärjustiz ausgeweitet hat und dieser nun Angriffe auf praktisch den gesamten staatlichen Besitz und alle Institutionen umfasst, sind immer mehr Verfahren den Militärrichtern übertragen worden, etwa auch der Prozess gegen Ex-Präsident Mohammed Morsi, den Obersten Führer der Muslimbrüder, Mohammed Badie, sowie dessen Stellvertreter Khairat al-Shater und 196 Mitangeklagte. Sie sollen für die Gewalt in der Stadt Suez nach dem Sturz Morsis verantwortlich sein.

Morsi-Urteil im April

Badie wurde schon in vier Prozessen in erster Instanz zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Anwälte haben mit Erfolg gegen ein Todesurteil appelliert. Morsi erwartet sein erstes Urteil gegen Ende April. Vor diesen Spezialgerichten sind die Rechte der Verteidigung massiv eingeschränkt. Fast 3000 Zivilisten müssen sich vor Militärgerichten verantworten. Derzeit laufen aber nicht nur Prozesse gegen Tausende von Islamisten, sondern auch gegen Hunderte von Demokratieaktivisten und dutzende Exponenten des Mubarak-Regimes, meist wegen Korruption. Von letzteren Verfahren gehen immer mehr mit Freisprüchen oder reduzierten Strafen aus, während die Angeklagten in den beiden anderen Kategorien als Opponenten des gegenwärtigen Regimes harsche Strafen erhalten.

"Gegner statt Schiedsrichter"

Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass viele dieser Verfahren Massenprozesse mit zum Teil über 200 Angeklagten sind, die die grundlegenden juristischen Standards verletzen würden. Siebzehn ägyptische Menschenrechtsorganisationen haben kürzlich von einem "Zusammenbruch des ägyptischen Justizsystems" gesprochen. Die Urteile würden die Position der Justiz als Gegner und nicht als Schiedsrichter verraten. Die Richter würden manchmal ihre persönlichen Animositäten gegenüber den Angeklagten nicht einmal verhehlen, heißt es in ihrem offenen Brief. (Astrid Frefel aus Kairo, DER STANDARD, 9.3.2015)